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Chaos im Parlament: Kiew: Turbulente Debatte über Vertrag mit Moskau

Mit Fotostrecke: In einer tumultartigen Sitzung hat das Parlament der Ukraine am Dienstag einem umstrittenen Militär- und Energieabkommen mit Russland zugestimmt. Dabei flogen Eier, Rauchbomben und sogar Fäuste.

Die Vereinbarung verlängert die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der ukrainischen Halbinsel Krim bis mindestens 2042. Im Gegenzug erhält die Ukraine einen 30-prozentigen Rabatt von etwa 30 Milliarden Euro in zehn Jahren auf russisches Gas. Vor der Abstimmung versuchte die Opposition in Kiew mit massiven Störmanövern im Plenarsaal vergeblich, einen Beschluss zu verhindern. In Moskau stimmte zeitgleich auch das russische Parlament der Vereinbarung zu.

In der Obersten Rada in Kiew warf die Opposition der Regierung einen "Ausverkauf der Ukraine" vor und entrollte eine riesige blau-gelbe Staatsflagge über den Abgeordnetenbänken. Parlamentspräsident Wladimir Litwin musste auf seinem Sitz von Saaldienern mit Regenschirmen vor Eierwürfen geschützt werden. Minutenlang stand dichter Nebel von Rauchbomben in der Luft. Es kam auch zu Faustkämpfen. "Da haben sich einige Abgeordnete wohl den Stil der Klitschkos zu eigen gemacht", sagte der CDU-Politiker Friedbert Pflüger in Anspielung auf die ukrainischen Box-Brüder. Pflüger erlebte den Skandal während eines Aufenthalts in Kiew von der Besuchertribüne aus mit. Trotz der Tumulte rief Litwin zur Abstimmung auf, in der sich 236 Abgeordnete - zehn mehr als nötig - für das Abkommen aussprachen.

Vor dem Parlamentsgebäude protestierten tausende Anhänger von Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko gegen den Vertrag. "Heute stehen die Russen auf der Krim, morgen überall in der Ukraine", sagte ein Demonstrant. Am Rande kam es zu kleineren Zusammenstößen mit der Polizei, die mit einem Großaufgebot und Sondereinheiten angerückt war. Timoschenko kündigte juristische Schritte gegen das Abkommen an. Die Ex-Regierungschefin rief die internationale Gemeinschaft zur Kritik an der Regierung auf. "Wir vertrauen darauf, dass der Westen zeigt, auf wessen Seite er steht." Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für risssisches Gas. Auch Pflüger kritisierte, dass "ein solch wichtiges Abkommen geradezu durchgepeitscht" worden sei.

Auch Moskau stimmt zu

Der ukrainische Regierungschef Nikolai Asarow bezeichnete die Demonstranten als „Rabauken“. Präsident Viktor Janukowitsch sagte bei einem Besuch im Europarat in Straßburg, sein Land sei solche Handgreiflichkeiten "gewöhnt, doch man muss dem einmal ein Ende setzen". Die Art der Auseinandersetzung sei „nicht unerwartet, und man kann sagen, dass die Abgeordneten einen Mangel an parlamentarischer Haltung zeigen", kritisierte Janukowitsch.

In Moskau sprach sich die Staatsduma mit einer deutlichen Mehrheit der kremlnahen Parteien - und einer störungsfreien Debatte - mit 410 von 450 Stimmen für die Vereinbarung aus. Präsident Dmitri Medwedew lobte die Zustimmung der Parlamente in Kiew und in Moskau als "Sieg der strategischen Interessen über die Emotionen". Regierungschef Wladimir Putin hatte kurz vor der Parlamentssitzung bei einem Blitzbesuch in Kiew für das Abkommen geworben, das Medwedew und Janukowitsch vor einer Woche geschlossen hatten. Putin kündigte dabei eine engere Zusammenarbeit der Nachbarländer auf dem Atomsektor an. (dpa)

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