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Politik: Chefarzt der Republik

Berlin gegen Hamburg: Frank-Ulrich Montgomery und Günther Jonitz wollen Ärztepräsident werden

Berlin - Wenn es drauf ankam, konnte auch Jörg-Dietrich Hoppe richtig Ärger machen. Doch im Wesentlichen war der schlaksige Pathologe in seinen zwölf Jahren als Ärztepräsident eher ein Mann der leisen Töne. Bei seinem Nachfolger, der voraussichtlich am 2. Juni vom Ärztetag in Kiel gewählt wird, dürfte das anders werden. Die Favoriten unter den vier Kandidaten – der langjährige Chef des Klinikärzteverbands Marburger Bund und derzeitige Ärztekammer-Vize Frank Ulrich Montgomery sowie der Berliner Ärztekammerpräsident Günther Jonitz – gelten als ebenso streitbar wie zielorientiert. Und beide haben bereits angekündigt, sich auch sozial- und gesundheitspolitisch weit stärker einmischen zu wollen, sollten sie Chefarzt der Republik werden.

Stellenweise klingt das wie eine Drohung. Die Ärzteschaft sei „ein schlafender Riese“ und habe die Gesundheitspolitik noch nicht wirklich entdeckt, sagt Jonitz. Auf den inzwischen 70-jährigen Noch-Präsidenten lässt der Chirurg, der die Berliner Kammer seit zwölf Jahren leitet und sich dort etwa als Initiator eines Bündnisses für Patientensicherheit hervorgetan hat, zwar nichts kommen. Doch in seinem Lob – „ein ruhiger, redlicher Sachwalter ärztlicher Interessen, dem insbesondere ethische Fragen der Medizin am Herzen lagen“ – schwingt auch mit, was ihm unter Hoppe zuletzt gefehlt hat: kraftvolle gesellschaftspolitische Positionierung. Er verstehe es jedenfalls nicht als Hauptaufgabe eines Ärztepräsidenten, bequem zu sein, stellt der 52-Jährige klar. Und markiert schon mal das aus seiner Sicht wichtigste Kampffeld: die „zunehmende Fremdbestimmung der Ärzte durch ökonomische Zwänge“ und die sich dadurch verschlechternde Qualität der Patientenversorgung.

Bei Montgomery rechnet ohnehin keiner mit übermäßiger Friedlichkeit. Verbunden werden mit dem 58-Jährigen vor allem die heftigsten Streiks von Krankenhausärzten in der Geschichte der Bundesrepublik – und der von ihm betriebene Wandel des einst beschaulichen Marburger Bundes zur schlagkräftigen Gewerkschaftstruppe. Hoppe komme das Verdienst zu, die Bundesärztekammer als „hochhonorige Institution“ präsentiert zu haben, resümiert der Hamburger Radiologe. Die Mediziner müssten sich im politischen Raum aber „sehr viel stärker einmischen als bisher“, sagt auch er.

Die Prioritäten: Montgomery nennt zuvorderst die überfällige neue Gebührenordnung für Ärzte, den Medizinermangel auf dem Land, das Patientenrechtegesetz und nötige Verbesserungen bei Aus- und Weiterbildung. Jonitz will das alles auch, spricht aber vor allem vom Ehrlichmachen. „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“, sagt er. Ob Mammografie-Screening, Hysterie um die eher harmlose Schweinegrippe oder Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs – ärztlicher Sachverstand müsse öfter mal gegenhalten. Und beide finden, dass endlich auch in der Breite diskutiert werden muss, wie viel hochwertige Medizin sich die Gesellschaft leisten könne und wolle.

Die Delegierten haben die Wahl. Hier der langjährige Funktionär mit dem Einstecktüchlein und dem feinen Englisch, hocherfahren in der Kunst der öffentlichen Zuspitzung, aber auch oft der Eitelkeit und eines übermäßigen Ehrgeizes geziehen. Dort der unauffälligere Strippenzieher und Macher in Sakko und Jeans, aus alter Sozialdemokraten-Familie stammend und der Erste seiner Familie, der studieren durfte. Nobles Hamburg gegen agiles Berlin, wenn man so will. Witzigerweise hat Montgomery das SPD-Parteibuch und Jonitz eines der FDP – was aber bei beiden im Funktionärsgebaren keine sonderliche Rolle spielt. Zwei weiteren Kandidaten werden kaum Chancen eingeräumt.

Montgomery und Jonitz sind schon einmal gegeneinander angetreten. 2007 war das, im Kampf um den Vizeposten in der Bundesärztekammer, der erfahrene Hanseat hat nur überraschend knapp gewonnen. Und bereits 1999 wollte Montgomery ganz nach oben und zog gegen Hoppe den Kürzeren. Nun aber befindet er sich in bester Ausgangsposition. Durch seinen rechtzeitigen Rückzug aus dem Marburger Bund ist Montgomery zudem sein Manko losgeworden, primär als Anwalt der Klinikärzte wahrgenommen zu werden. Man müsse den „konstruierten Konflikt“ zwischen ambulant und stationär tätigen Medizinern endlich begraben, fordert er denn – wohlwissend, dass dieser stärker denn je tobt.

Sicherheitshalber erzählt Montgomery diesbezüglich noch aus seiner Familie. Schon die Mutter habe am Ende der Reeperbahn eine Hausarztpraxis betrieben. Und über seine Frau, ebenfalls Allgemeinmedizinerin, kenne er die Probleme der Niedergelassenen „vom Abendbrottisch“. Um nicht abzuheben, will er zudem weiterhin mindestens einen Tag pro Woche als Oberarzt im Hamburger Uniklinikum arbeiten. Auch als Ärztepräsident. Das sei, meint der Kandidat, eine gute Prophylaxe gegen Funktionärskrankheiten. Und mitunter „sehr heilsam“.

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