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Politik: Chefsache Europa

Teheran will über sein Atomprogramm verhandeln. Der Druck aus Washington bringt die junge Generation an die Seite der Mullahs

Teheran will sich von den Drohungen aus Washington offenbar nicht beeindrucken lassen. Die Enthüllungen des US-Journalisten Seymour Hersh, nach denen US-Geheimkommandos seit Mitte vergangenen Jahres mögliche Angriffsziele in Iran ausspionieren, erklärte die iranische Regierung für unglaubwürdig. In der englischsprachigen „Teheran Times“ wurde in Bezug auf die USA das Sprichwort zitiert: „Ein bellender Hund beißt nicht.“

Zwar ist man sich in Iran bewusst, dass die Islamische Republik nach wie vor im Zielfernrohr Washingtons liegt. Davon zeugten die regelmäßigen Vorwürfe, Iran mische sich zu sehr in die Angelegenheiten des Nachbarn Irak ein. Doch das Augenmerk ist auf die andauernden Verhandlungen mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien über das iranische Atomprogramm gerichtet. Nachdem US-Präsident George W. Bush in einem Fernsehinterview einen Angriff auf Iran nicht ausschließen wollte und dessen künftige Außenministerin Condoleezza Rice Iran gar als Vorposten der Tyrannei in der Welt bezeichnet hatte, warf der Sprecher des iranischen Außenministeriums den beiden denn auch vor, die „konstruktiven“ Gespräche Teherans mit der EU als Misserfolg darstellen zu wollen.

Die Verhandlungen mit den Europäern sind in Teheran zur obersten Chefsache erklärt worden. Nach Ansicht vieler iranischer Analysten geht das Regime dabei zwar nicht immer geschickt vor, aber den Willen, eine Einigung zu erzielen, stellt kaum jemand in Frage. Das Regime erhoffe sich eine Beendigung der politischen und wirtschaftlichen Isolation, heißt es in Teheran. „Seit 25 Jahren verhandelt der Westen zum ersten Mal auf so hochrangiger Ebene mit uns“, erklärt ein iranischer Journalist, der nicht genannt werden will.

Ein erfolgreicher Verlauf der Gespräche würde die unnachgiebige Position der USA schwächen. Allerdings ist man sich in Iran darüber im Klaren, dass Washington mit seinen Attacken nicht ausschließlich auf die Atompolitik des Landes zielt, sondern auf die Regierung selbst. Der Politikwissenschaftler Bovand sagte kürzlich im Gespräch mit dem Tagesspiegel, die Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) enthielten keine Belege dafür, dass Iran gegen den Atomwaffensperrvertrag verstieße. „Die USA erhalten diesen Vorwurf aufrecht, um weiter Druck auf das missliebige Regime ausüben zu können.“

Die Haltung der iranischen Bevölkerung angesichts eines möglichen militärischen Eingreifens der USA hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren deutlich gewandelt. Direkt nach dem offiziellen Ende der Irakinvasion und dem Sturz Saddam Husseins im Mai 2003 fragten viele junge Leute in Iran, wann die USA das Kleriker-Regime in Teheran stürzen werden. Halb im Scherz, halb aus Resignation über die ausbleibenden Reformen im eigenen Land wünschten sie sich eine Invasion amerikanischer Truppen.

Im Dezember 2004 waren in Iran angesichts der katastrophalen Entwicklung im Nachbarland Irak, das nach der Zerstörung aller staatlichen Strukturen von Terrorismus und Gewalt geprägt ist, solche Kommentare nicht mehr zu hören. Stattdessen gab es in der Frage des Atomprogramms einen Schulterschluss mit dem bei vielen verhassten Regime. Fragt man die Menschen auf der Straße oder in Cafés, so bekommt man von politisch Interessierten zu hören, dass Iran ebenso wie andere Länder der Region ein Recht auf ein eigenes Atomenergieprogramm habe. Ali Salihi, Irans früherer Repräsentant bei der IAEO in Wien, spricht gar von einer Frage des „nationalen Stolzes“, die Regierung und Opposition eine. Doch gerade den jüngeren Menschen in Iran ist indes auch anzumerken, dass sie die Nase voll davon haben, im Namen hehrer Prinzipien weiter isoliert vom Rest der Welt zu leben.

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