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Mitarbeiter der Vereinten Nationen vermitteln Schülern in der Elfenbeinküste, wie sie sich am besten vor Ebola schützen können.

© AFP

Ebola-Epidemie in Westafrika: Claudia Roth wirft Bundesregierung Versagen vor

Die Bundesregierung hat die Ebola-Epidemie lange unterschätzt – und sucht nun nach Möglichkeiten, doch noch etwas auszurichten. Die Grünen werfen ihr "Versagen" vor. Die Vereinten Nationen haben unterdessen ein Krisentreffen einberufen.

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Die Bundesregierung gerät immer mehr in den Verdacht, sich bisher bei der Bekämpfung der Ebola-Seuche zu sehr zurückgehalten zu haben. Erst, seit Mitte dieser Woche US-Präsident Barack Obama den betroffenen afrikanischen Ländern massive personelle und finanzielle Hilfe zugesagt hatte, rollt auch in Berlin die Hilfe an.

Nach Informationen des Tagesspiegels prüft Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit, den Finanzrahmen für humanitäre und medizinische Hilfe spürbar auszuweiten. Am Donnerstag kündigte das Auswärtige Amt zunächst weitere fünf Millionen Euro Hilfe an: Die Regierung hatte bereits zwölf Millionen Euro zugesagt. Davon allerdings ist erst ein Bruchteil abgeflossen.

Nachdem am Donnerstag die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ die deutsche Regierung offen angegriffen hatte, warf Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) der Regierung „Versagen“ vor. Die Ebola-Epidemie in Westafrika bedeute „unvorstellbares Leid, tausendfachen Tod und allgegenwärtige Angst“, sagte Roth dem Tagesspiegel und fügte an: „Das wäre vermeidbar gewesen.“ Der internationalen Gemeinschaft und auch der Bundesregierung warf Roth vor, „angesichts dieser Katastrophe bislang völlig versagt“ zu haben.

Die jetzt zugesagten finanziellen Mittel kämen „viel zu spät und sind höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein“. Roth forderte die Bundesregierung auf, „einen groß angelegten Katastrophenschutz und eine humanitäre Offensive mit einem konkreten Aktionsprogramm“ anzustoßen. „Es ist unsere Verantwortung als Weltgesellschaft, die Menschen in Westafrika nicht weiter allein zu lassen und eine totale Destabilisierung der ganzen Region aufzuhalten“, sagte die Bundestagsvizepräsidentin.

Streit im Kabinett

Auch in der Regierung selbst gibt es offenbar schon seit ein paar Wochen Unstimmigkeiten über den angemessenen Umgang mit der sich rasant ausbreitenden Seuche. Die Rede ist von mangelhafter Aufmerksamkeit für die Brisanz der Krankheit bis hin zu bürokratischem Umgang mit derselben. Zur Sprache gekommen ist der Unmut nach Angaben aus Regierungskreisen auch am Rande einer Kabinettssitzung am Mittwoch. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wird mit den Worten zitiert: „So geht es nicht weiter.“ Im Zentrum der Kritik stehen dabei das Gesundheitsministerium von Hermann Gröhe (CDU) und das Haus von CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller.

Konstatiert wird von den Kritikern, dass alle Ministerien, auch das Auswärtige Amt (wo seit Juli ein interministerieller Krisenstab regelmäßig tagt) und das Verteidigungsministerium lange Zeit davon ausgingen, dass die aktuelle Ebola-Epidemie ähnlich wie frühere Fälle zeitlich und regional begrenzt bleiben werde. Auch bei der „Hühnergrippe“ sei das schließlich so gewesen, wird in der Regierung argumentiert. Dass sich Ebola im Westen Afrikas im Sommer so rasant verbreitet hat und mittlerweile längst den Status eines rein medizinischen Problems überschritten hat – diese Erkenntnis scheint im Regierungslager erst Anfang September gereift zu sein. Berichtet wird, dass aber trotz der neueren Erkenntnisse zunächst keine Sensibilität für eine neue Qualität der Seuche und damit ein Umschwenken bei der Hilfe eingesetzt sei. Von „verlorenen zwei bis drei Wochen“ ist in Regierungskreisen zu hören.

Krisenstab der Ministerien trifft sich

An diesem Freitag nun trifft sich zum ersten Mal ein Krisenstab der Staatssekretäre der betroffenen Ministerien. Die Bundeswehr bereitet zudem die zeitnahe Einrichtung einer Luftbrücke vor, um Hilfsgüter in die betroffenen Regionen fliegen zu können. Das Europaparlament hat indes alle europäischen Staaten zur Einrichtung von Luftbrücken in die von Ebola betroffenen Länder aufgefordert. „Die internationale Gemeinschaft hat die Krise unterschätzt“, heißt es in einer Resolution, die die Straßburger Volksvertretung am Donnerstag verabschiedeten. Der Ebola-Ausbruch stelle „eine internationale sicherheitspolitische Herausforderung“ dar, unterstrich das Europaparlament.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) überraschend ein Krisentreffen einberufen. Dort sollte eine koordinierte internationale Hilfsstrategie beraten werden.

Die US-Botschafterin bei den UN, Samantha Power, rief die anderen Nationen auf, im Rahmen der Krisensitzung ihr Hilfszusagen massiv zu erhöhen. „Die Ebola-Epedemie ist eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit“, sagte Power. Die internationale Gemeinschaft müsse mehr tun, um den betroffenen Ländern bei der Bekämpfung zu helfen. In einem Resolutionsentwurf für die Sitzung hieß es, die faktische Isolierung der Ebola-Gebiete verschlimmere die Situation dort nur noch. Alle Länder werden in dem Entwurf aufgerufen, sowohl die faktischen Grenzschließungen als auch die Reise- und Handelsrestriktionen aufzuheben.

Die US-Regierung bereitet derzeit einen großen Hilfseinsatz vor, an dem sich unter anderem rund 3000 Soldaten und Fachkräfte beteiligen sollen.

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