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Politik: Clement: Einkaufen rund um die Uhr

Minister will Ladenschluss werktags völlig abschaffen – die Gewerkschaften kündigen erbitterten Widerstand an

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Berlin. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will die Ladenöffnungszeiten weiter flexibilisieren. Sein Vorschlag: Die Geschäfte sollen an Werktagen in ganz Deutschland rund um die Uhr öffnen dürfen. Die Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen sollen dagegen die Länder regeln. Union, FDP und der Einzelhandelsverband HDE begrüßten die Pläne des Wirtschaftsministers im Grundsatz. Kritik kam dagegen nicht nur von den Gewerkschaften und den Kirchen, sondern auch aus der eigenen Fraktion und von den Grünen. Clement müsse mit erbittertem Widerstand rechnen, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold.

Von Antje Sirleschtov

und Corinna Visser

Der Ladenschluss war der am heftigsten diskutierte von insgesamt 34 Vorschlägen zum Abbau von Bürokratie, die Clement am Mittwoch im Kabinett vorlegte. Dabei geht es zum Beispiel um eine Liberalisierung des Gaststättenrechts, eine Beschleunigung von Gerichtsverfahren oder die Überprüfung des Schornsteinfegermonopols. Es sei vereinbart, noch in diesem Jahr alle Vorschläge umzusetzen, „das gilt auch für die Änderung des Ladenschlussgesetzes“, sagte ein Sprecher.

Clement sagte in der ARD, die geltenden Ausnahmen zu den Ladenöffnungszeiten reichten nicht. „Alles sollte in Deutschland etwas lockerer werden, weniger von oben gesteuert als von unten geführt.“ Über Einzelheiten werde aber erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entschieden, das noch vor der Sommerpause erwartet wird, sagte ein Ministeriums-Sprecher. Das Gericht prüft, ob das Ladenschlussgesetz seiner Rolle als Arbeitsschutzregel noch gerecht wird oder ob es gegen die Grundrechte von Einzelhändlern verstößt.

In der SPD-Fraktion wurde Clements Vorschlag zurückhaltend aufgenommen. Den Ladenschluss wochentags völlig freizugeben, sei ein „debattierbarer Vorschlag“, sagte der arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Sprecher Klaus Brandner. Positiv bewertete Brandner den Plan des Ministers, die Entscheidung über Öffnungszeiten an Wochenenden den Ländern zu überlassen. Die Grünen „lehnen die komplette Liberalisierung kategorisch ab“, sagte der Abgeordnete Hubert Ulrich. Sie befördere nur die Wettbewerbsnachteile innerstädtischer Händler. Wenn die Öffnungszeiten nicht mehr begrenzt seien, würden die Kunden noch stärker Einkaufszentren an den Stadträndern besuchen. „Wir räumen uns damit die gesamten Innenstädte ab.“ Ulrich forderte, über ein bundesweites „City-Privileg“ nachzudenken. Diese Lösung zwinge die Einkaufszentren auf der grünen Wiese, ein oder zwei Stunden vor den Geschäften in den Innenstädten zu schließen.

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Gerald Weiß (CDU), sagte, die Union fordere schon lange mehr Freiheit und Flexibilität. Für die Sonn- und Feiertage sei aber mehr Schutz erforderlich. Die Präsidentin des Familienbundes der Katholiken, Elisabeth Bußmann, protestierte gegen den Vorstoß. Nach einer völligen Liberalisierung der Öffnungszeiten bleibe den Familien noch weniger gemeinsame Zeit. HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, der HDE stimme unter der Bedingung zu, dass die Sonntagsruhe eingehalten werde.

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