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Politik: Clement mal Trittin, geteilt durch zwei

DER KLIMAKOMPROMISS

Von Dagmar Dehmer

Eine gute Nacht war das nicht für den Klimaschutz. Mit ihrem Kompromiss zum Verschmutzungshandel in Deutschland signalisiert die Bundesregierung ihren europäischen Nachbarn zweierlei. Erstens: So wichtig ist uns das Klima nun auch wieder nicht. Zweitens: Mit der Einigung auf einen nationalen Zuteilungsplan für den Ausstoß von Kohlendioxid verabschiedet sich Deutschland trotzdem nicht aus der Riege der Klimaschützer. Es wird nur schwieriger, das Ziel einzuhalten, bis 2012 immerhin 21 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 in die Luft zu pusten.

Zu diesem Ziel hat sich Deutschland im Klimaschutzabkommen von Kyoto verpflichtet – und hat es bisher durchaus erfolgreich verfolgt. Immerhin 19 Prozentpunkte dieser Verminderung sind schon erreicht. Wenn auch nicht unbedingt aus eigener Leistung. Ein Großteil dieses klimapolitischen Erfolgs war die „Vereinigungsdividende“: Der Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie war wenigstens gut fürs Klima.

Die noch fehlenden zwei Prozentpunkte sind allerdings die schwersten. Da sich die deutsche Industrie nach dem Kompromiss im Kanzleramt nun nicht mehr an ihre freiwillige Selbstverpflichtung zum Schutz des Klimas halten muss, müssen der Verkehr und die privaten Haushalte mehr Energie sparen. Die Industrie muss ihren Kohlendioxid-Ausstoß bis 2012 nur noch um rund zehn Millionen Tonnen vermindern – versprochen hatte sie 45 Millionen Tonnen. Ausgleichen lässt sich das nur entweder – sehr unpopulär – durch eine höhere Benzinsteuer. Oder – sehr kostspielig – durch ein umfangreiches Altbausanierungsprogramm.

Wirtschaftsminister Clement steht als eindeutiger Sieger im Koalitionsstreit mit Umweltminister Trittin da. In der Wirtschaftskrise ist die Zukunft der Menschheit eben ein eher abstrakter Wert. Die Arbeitsplätze in der Kohle- und Stahlindustrie – das alte Milieu der SPD – zählen dafür umso mehr. Tatsächlich muss die deutsche Industrie, um international mithalten zu können, mehr leisten, als an anderen Standorten: Sie zahlt höhere Löhne und höhere Sozialleistungen; sie muss schärfere Umweltbestimmungen einhalten und in manchen Fällen auch höhere Steuern bezahlen. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob die Industrie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit höheren Kosten für den Klimaschutz belastet werden darf. Allerdings muss auch die Frage erlaubt sein, wie teuer uns unterlassener Klimaschutz kommt. Allein die Elbe-Flut im Sommer 2002 hat die deutsche Volkswirtschaft 18 Milliarden Euro gekostet.

Die Bundesregierung hat sich entschieden: Sie will die Wirtschaft nicht mit hohen Kosten für den Klimaschutz belasten. Sie will sie aber auch nicht völlig aus ihrer Verantwortung entlassen. Sie schickt damit eine doppelte Botschaft an ihre europäischen Nachbarn. Einerseits ist es in wirtschaftlich schweren Zeiten keine Kleinigkeit, langfristige Ziele, wie den Klimaschutz, mit derselben Leidenschaft zu verfolgen wie in fetten Jahren. Andererseits sagt die Regierung mit ihrem mühsamen Kompromiss auch, dass sie trotz aller Schwierigkeiten zu ihren Zusagen beim Klimaschutz steht. Welchen Teil der Doppelbotschaft werden sich die europäischen Nachbarn bei der Aufstellung ihrer Zuteilungspläne zu Eigen machen? Und wird dieses deutsche Vorbild Russland und andere Wackelkandidaten wie die USA zu mehr Klimaschutz motivieren?

Auf der anderen Seite ist der erzielte Kompromiss vermutlich das äußerste, was eine Regierung in der Krise zustande bringen kann. Schließlich laufen der SPD die Wähler in Scharen davon. Als Jobkiller dazustehen, weil sie anspruchsvolle Klimaziele verfolgt, kann sich die SPD nicht leisten. Das Wohl künftiger Generationen ist da nur ein schwacher Trost. Zumal die SPD nicht wissen kann, ob die sich bei ihr für ihren Einsatz irgendwann mal mit Wählerstimmen bedanken werden.

Bleibt die Frage: Was hat die Grünen in dieser langen Verhandlungsnacht davon abgehalten, die Koalitionsfrage zu stellen? Aus ihrer Sicht kann es kein Fortschritt sein, wenn die Industrie ihre Selbstverpflichtung nicht einhält. Offenbar haben sie sich von der Aussicht auf eine weitere großzügige Förderung der erneuerbaren Energien ködern lassen. Für ihre Wähler könnte das zu wenig sein.

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