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Clinton nach Sieg in West Virginia: "Der Rambo der Demokraten"

Trotz ihres haushohen Gewinnes in West Virginia, bleibt der ehemaligen First Lady eigentlich keine Chance auf das Amt des Präsidentschaftskandidaten. Während sie weiter die Unverwüstliche mimt, rechnet die amerikanische Öffentlichkeit schon die Optionen ihres Rückzugs durch.

Im Kandidatenrennen zwischen Hillary Clinton und Barack Obama rückt die endgültige Entscheidung näher. Clinton errang bei der Vorwahl der US-Demokraten im Bergbaustaat West Virginia mit ihrem haushohen Sieg über Obama noch einmal einen Achtungserfolg. "Ich bin entschlossener denn je, diese Kampagne fortzuführen", rief sie in der Wahlnacht kämpferisch in West Virginias Hauptstadt Charleston. In der Gesamtwertung hat Obama allerdings weiter einen Vorsprung, den Clinton bis zur letzten Vorwahl am 3. Juni nicht mehr aufholen können wird. Die große Frage ist nur noch: Wann gibt Clinton auf, und welche Rolle strebt sie dann an?    Politiker und Journalisten debattieren in Washington inzwischen mehrere Ausstiegsszenarien. Erstes Szenario: Hillary Clinton erkennt die Aussichtslosigkeit ihrer Kandidatur an und scheidet noch vor den letzten Vorwahlen in drei Wochen aus. Die Senatorin könnte allein deshalb zum Verzicht gezwungen sein, weil ihre Kampagne inzwischen 20 Millionen Dollar Schulden angehäuft hat, während bei Obama die Spenden fließen. Aus ihrem Privatvermögen haben die Clintons bereits mehr als elf Millionen Dollar zugeschossen.

"Kein plausibler Weg zum Sieg"

Ein selbst gewähler Ausstieg könnte Clinton in eine gute Verhandlungsposition gegenüber Obama bringen: US-Kommentatoren spekulieren darüber, dass sie als Gegenleistung für einen Verzicht von Obama den Posten des Vizepräsidenten sowie Hilfe beim Begleichen ihrer Schulden verlangen könnte. Clinton lässt dies bislang aber dementieren. Die meisten US-Politikanalysten haben ihr Urteil indes schon gefällt: "Es gibt für Clinton keinen plausiblen Weg mehr zum Sieg", bringt ein Leitartikel der "Washington Post" die Stimmung auf den Punkt.

Das zweite Szenario weist in die entgegengesetzte Richtung: Clinton könnte versuchen, ihre Kandidatur bis zum Parteitag der Demokraten im August durchzuboxen, auf dem die 4049 Delegierten offiziell den Spitzenkandidaten wählen. Clinton hat bislang nicht ausgeschlossen, in einer riskanten Strategie die Delegierten zu ihren Gunsten umzustimmen zu versuchen. Star-Kolumnist David Brooks von der "New York Times" jedenfalls attestiert Clinton, sie habe Gefallen gefunden an ihrer Rolle als "Rambo der Demokraten" und sei beseelt von "Selbstbehauptung, Kampfbereitschaft und Alphatier-Gehabe".

"Es müsste schon etwas Größeres passieren"

Voraussetzung für den Erfolg dieses Szenarios wäre, dass Clinton die meisten der etwa 800 ungewählten Super-Delegierten aus dem Parteiestablishment auf ihre Seite zieht, die auf dem Parteitag das Zünglein an der Waage sind. Sie könnten Obamas Sieg in den Vorwahlen überstimmen, tendieren inzwischen aber mehrheitlich zu Obama. Clinton müsste hoffen, dass irgend ein handfester Skandal Obama ins Stolpern bringt. Clintons Wahlkampfchef Terry McAuliffe gab bereits zu: "Es müsste schon etwas Größeres passieren", damit sie die Kandidatin wird.

Das dritte und wohl auch wahrscheinlichste Szenario ist, dass Clinton noch an den letzten Vorwahlen am 3. Juni teilnimmt, dann aber aufgibt. "Bis Ende Juni werden wir einen Kandidaten haben", prophezeite Demokraten-Parteichef Howard Dean. Befördert werden könnte ein Verzicht Clintons von der Erkenntnis, dass ein stures Festhalten an der Kandidatur ihre weiteren Karriere-Aussichten trüben dürften. Denn durch ihren tapferen Kampf um die Spitzenkandidatur hat Clinton in der Partei an Respekt gewonnen und Zweifel zerstreut, sie stehe ewig im Schatten ihres Mannes Bill.

Kommentatoren prophezeien Hillary Clinton auch nach einer Niederlage gegen Obama eine wichtige Rolle in der US-Politik - etwa als demokratische Mehrheitsführerin im Senat. Das freilich nur, wenn sie bald den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg findet. "Sie kann weiterkämpfen, oder sie kann eine mächtige Figur in der Demokratischen Partei werden", urteilt der erfahrene Wahlbeobachter E.J. Dionne von der "Washington Post" - und fügt hinzu: "Beides zugleich geht nicht."

Peter Wütherich[AFP]

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