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CSU-Krise: Stoiber vor dem Abgrund

Am Schicksalsort der CSU in Wildbad Kreuth droht Edmund Stoiber das Aus. Nach zermürbendem vierwöchigen Machtkampf beginnt der massiv bedrängte bayerische Ministerpräsident und Parteichef dem immensen Druck zu weichen.

Kreuth - Selbst am wohl bisher schwersten Tag seiner Laufbahn lächelt der 65-Jährige Ministerpräsident in die Kameras, als er seinen Platz auf dem Podium vor den mehr als 120 Landtagsabgeordneten einnimmt. Es ist das vierte Krisengespräch in zwei Tagen. Seit bald 14 Jahren regiert Stoiber den bayrischen Freistaat. Doch Fraktionschef Joachim Herrmann zieht die Daumenschrauben an: "Es ist deutlich geworden, dass viele von Stoiber erwarten, dass er zum richtigen Zeitpunkt den Weg für die Erneuerung freimacht."

In der verklausulierten Politikersprache könnte das Signal klarer kaum sein. Herrmann lässt Stoiber unmissverständlich wissen, dass dessen persönliches Wohl nicht zählt: "Es geht um die Zukunft Bayerns und der CSU, dem haben sich alle anderen Ambitionen und Interessen unterzuordnen." Die CSU ist durch die Stoiber-Krise in ein Umfragetief gerutscht, die Stimmung an der Basis katastrophal. Nach Ansicht vieler hilft nur noch die Notbremse zu ziehen, um weiteren Schaden von der in der großen Koalition mitregierenden CSU abzuwenden. "Eine Entscheidung muss her", sagt der Abgeordnete Jürgen Vocke, "so oder so."

Stoibers Rückzug geht auf Raten

Vor einer Woche deutete er bei der CSU-Landesgruppenklausur in Kreuth noch an, er wolle bis 2013 durchregieren. Nach einem Aufruhr in der Landtags-CSU ruderte er zwei Tage später zurück und schlug vor, der CSU-Parteitag im Herbst solle über ihn befinden - als Spitzenkandidat. Doch die Fraktion zeigt sich weiter bockig. Am Montagabend gab Stoiber bei der fast neunstündigen Krisensitzung des erweiterten Fraktionsvorstands in Kreuth erneut Boden preis. Er wolle kandidieren, sagte er, "ich muss aber nicht". Das Friedenssignal wird zum Rohrkrepierer. Denn die Abgeordneten sind wütend, dass dies bei laufender Sitzung unter den draußen wartenden Journalisten von Stoibers Umfeld gestreut wird.

Noch immer hofft Stoiber auf eine Entscheidung erst beim für September geplanten Parteitag. Herrmann aber lässt durchblicken, dass dem schwer angeschlagenen Regenten keine Schonfrist gewährt wird. "Eine so aufgeregte Diskussion wie in den vergangenen Wochen können wir nicht noch ein Dreivierteljahr führen." Er erhöht den Druck auf Stoiber. Dieser habe die Tür "einen Spalt breit geöffnet". Viele in der Fraktion würden die Tür gern ganz aufreißen, um den Ausweg aus der verfahrenen Lage zu finden. Von der Sitzung der Fraktion dringt am Nachmittag zunächst nur nach draußen, dass Stoiber eine sehr emotionale Rede gehalten habe. Und es zeichnet sich eine Lagerbildung ab. Eine starke Gruppe drängt den Parteichef zum raschen Rückzug, die andere spielt wie Stoiber auf Zeit plädiert für eine Entscheidung erst beim Parteitag im Herbst.

Liebesaffäre wird zum Politikum

"Die Partei ist in der größten Krise seit 1948", bilanziert Stoibers alter Gegenspieler Theo Waigel in der "Bunten". Stoibers Vorgänger als CSU-Chef unterlag 1993 im Machtkampf ums Ministerpräsidentenamt gegen Stoiber. An die damalige Schlammschlacht, in der Indiskretionen über Waigels Privatleben eine Rolle spielten, erinnern sich jetzt viele. Seit zwei Tagen sind Details über eine angebliche Liebesaffäre von CSU-Parteivize Horst Seehofer im Umlauf. Der Berliner Minister gilt als Favorit für die Nachfolge Stoibers als CSU-Chef. "Wir sind empört", sagt Herrmann. Über wen, sagt er nicht. Und noch ein Alarmsignal für Stoiber: Innenminister Günther Beckstein lässt kryptisch offen, ob er Ministerpräsident werden will. Gegen Stoiber werde er nicht antreten, sagt er - und fügt doch hinzu: "In der Politik ist das Schöne, dass alles möglich ist. Aber auch das Gegenteil." Einig waren sich die Abgeordneten in Kreuth nur in einem: Die Diskussion würde bis tief in die Nacht dauern. (tso/dpa)

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