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Zuhause nur deutsch? Das schlägt die CSU vor.

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CSU-Vorschlag zur deutschen Sprache: 1,2, Sprachpolizei

Zuhause nur Deutsch? Professor, Professorin oder Professx? Der Umgang mit Sprache wird derzeit wieder emotional diskutiert. Fair ist die Debatte aber nicht. Ein Gastkommentar.

Beginnen wir diesen Kommentar mit einem kleinen Gedankenspiel: Wir treffen uns zum ersten Mal, ich stelle mich vor mit den Worten „Hallo, ich bin Christoph. Aber nenn mich doch bitte Chris.“ Kaum jemand würde daran etwas finden und mich vermutlich anstandslos Chris nennen. Wenn jemand in einem professionellen Umfeld darauf Wert legt, als Herr oder Frau Doktor angesprochen zu werden: Ebenfalls kein Problem, auch wenn man es affig finden kann. Die Berliner Professorin Lann Hornscheidt (die Bezeichnung ist an dieser Stelle bewusst gewählt, es handelt es sich ja nicht um eine Anrede) bittet auf ihrer Homepage darum, als Professx, zumindest aber unter Unterlassung von „zweigendernden Ansprachen“ angesprochen zu werden. Und Deutschland – oder zumindest ein Teil der deutschen Gesellschaft – hyperventiliert.

Keine Frage, das wirkt schräg – weil kaum jemand von uns sich über seine geschlechtliche Identität Gedanken machen muss. Auch mein erster Impuls war ein Kopfschütteln. Und natürlich kann man darüber diskutieren, ob „Professx“ nun eine wertvolle Erweiterung unserer Sprache darstellt, oder ob es nicht auch andere, bessere (und leichter auszusprechende) Optionen geben kann. Aber mal ganz im Ernst: Mir bricht doch – gerade als Liberalen – auch kein Zacken aus der Krone, wenn ich den Wunsch meines Gegenübers respektiere und die Person so anspreche, wie er, sie, es – oder wie auch immer die Person sich selbst fühlt und definiert – es wünscht. Lann Hornscheidt verlangt gerade nicht, dass alle den von ihr vorgeschlagenen Sprachcode übernehmen – oder gar übernehmen müssen – wie sie etwa im Interview mit Spiegel Online klarstellt: „Nein, wir wollen niemandem etwas vorschreiben, keine neuen Regeln aufstellen. Wir sagen nicht: So soll es sein. Wir sagen: So kann es sein. Ich habe nichts dagegen, wenn Personen sich Frau oder Mann nennen bzw. Professorin oder Professor. Wer sich aber in der Zweigeschlechtlichkeit nicht wiederfindet, soll ein anderes Angebot bekommen.“

Es geht um Respekt und Höflichkeit

Es geht also nicht um neue Regeln oder Gesetze, es geht um etwas ganz Altmodisches wie Respekt, Rücksichtnahme und Höflichkeit. Dass Hornscheidt selbst durchaus auch eine eigene politische Agenda hat, die man nicht teilen muss, mindert das nicht im Geringsten. Was man allerdings beobachtet ist Hass, Verhöhnung und Unverständnis, ähnlich wie zuvor bei der Debatte um das Wort „Neger“ in Büchern. Ich finde das schade. Und auch ein wenig absurd, dass es gerade diejenigen sind, die vorgeben, für die Meinungsfreiheit zu streiten, die den Unterschied zwischen Rücksichtnahme und Zensur nicht verstehen.

Der CSU-Vorschlag, zuhause nur deutsch zu spreche, ist doppelzüngig

Szenenwechsel: Die CSU, schon lange bekannt für besonders wertvolle Beiträge zu gesellschaftlichen Debatten, hat sich etwas überlegt, was vermutlich potenzielle AfD-Wähler an die Union binden soll. Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund sollen also dazu angehalten oder wie es nun heißt motiviert werden, zuhause deutsch zu sprechen Jedoch: wie genau man jemanden dazu „anhalten“ will, sagt man wohl bewusst nicht. Denn entweder müsste man dann zugeben, dass die Forderung ein zahnloser Tiger ist, oder man müsste zugeben, dass man eine Verpflichtung will, die gegen so ziemlich alle Ideale des Grundgesetzes verstößt. Davon ganz abgesehen zeigt sich aber auch hier wieder eine unglaubliche Doppelzüngigkeit. Während auch deutsches Staatsgeld in den Erhalt deutscher Kultur und Sprache, etwa in deutschen Auswanderercommunities in Brasilien fließt, will man dasselbe bei Zuwanderern hierzulande zurückdrängen.

Christoph Giesa

© promo

Dabei könnte man aus der Geschichte lernen. Nachdem Brasilien in den zweiten Weltkrieg eingetreten war, wurde den deutschstämmigen Einwanderern die Nutzung der deutschen Sprache verboten. Und zwar immer und überall. Das führte dazu, dass Spitzel an den Häuserwänden der Menschen lauschten, um sie zu überführen. Und im Zweifel reichte auch die Behauptung, es werde deutsch gesprochen um unliebsame Nachbarn zu diskreditieren und gesellschaftlich und wirtschaftlich zu vernichten. Deutsch wird allerdings, trotz dieser Repression bis heute gesprochen. Und Portugiesisch noch dazu. Mangelnde Integration hat nichts damit zu tun, dass jemand mehr als eine Sprache spricht, sondern nur, dass er die Sprache seiner neuen Heimat nicht spricht.

Ausdruck eines kollektiven Minderwertigkeitsgefühls

Hinzu kommt: Abiturienten müssen in Deutschland mindestens zwei Fremdsprachen lernen, Mehrsprachigkeit ist ein Asset auf dem internationalen Arbeitsmarkt, die Unterrepräsentation von Deutsch in internationalen Organisationen wird als Problem angesehen und versucht, etwa durch das Carlo-Schmid-Programm zu beheben. Menschen, die zweisprachig aufwachsen sind von daher auch gesellschaftlich und wirtschaftlich ein Gewinn. Der Vorschlag der CSU ist daher an Dummheit und Geschichtsvergessenheit gleichermaßen nicht zu überbieten.

Dass es natürlich trotzdem Menschen gibt, die die Idee mit brachialen Worten unterstützen, scheint Ausdruck eines kollektiven Minderwertigkeitskomplexes, vor allem aber einer Unfähigkeit zur Empathie zu sein. „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“, die Lieblingsphrase der Szene, gilt nur für ihre vermeintlich „politisch nicht korrekten“ Hasstiraden. „Professx“ oder eine Unterhaltung auf Türkisch, Arabisch, Englisch oder Portugiesisch im Familienkreis fällt aber anscheinend nicht in den Wirkungsbereich dieser Aussage. Fair, das wird daran wieder deutlich, werden die Debatten um Sprache nur selten geführt.

Christoph Giesa ist Autor und Publizist.

Christoph Giesa

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