zum Hauptinhalt
Was die Ankündigung von Grenzkontrollen in Dänemark bedeuten, ist noch nicht klar.

© dpa

Dänemark: Europa streitet über schärfere Grenzkontrollen

Dass die Dänen die deutsch-dänische Grenze wieder kontrollieren wollen, stößt auf viel Kritik. Aber auch für Deutschland gibt es Vorschläge für schärfe Kontrollen - an Flughäfen zum Beispiel.

Dänemark hat den Anfang gemacht, aber damit letztlich nur den Stein ins Rollen gebracht. Denn in Europa herrscht Uneinigkeit über die Frage, ob es wieder Grenzkontrollen geben soll. Deutschland geht dabei auf Konfrontationskurs zur EU-Kommission. Berlin wolle die Entscheidung über Grenzkontrollen im Schengenraum nicht der Kommission überlassen, sondern selbst treffen, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Donnerstag zu Beginn von Beratungen der EU-Innenminister in Brüssel. "Es bleibt bei der nationalen Verantwortung", betonte Friedrich. "Jedes Land ist für die Sicherheit seiner Bürger verantwortlich." Er widersprach damit der für innere Sicherheit zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström, die eine Entscheidung "auf europäischer Ebene" verlangt. Friedrich räumte lediglich ein, die EU-Staaten müssten klarmachen, "dass man auch gegenüber den europäischen Partnern rechenschaftspflichtig ist, wenn man solche Entscheidungen trifft".

Grenzkontrollen an deutschen Flughäfen für italienische Flugzeuge gefordert

Sein Parteifreund Hans-Peter Uhl (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, kritisiert die Entscheidung Dänemarks. "Diese Entwicklung ist ungut und problematisch", sagte Uhl dem Tagesspiegel. "Das Flüchtlingsproblem besteht im Mittelmeerraum, weil Italien und Griechenland dort bei Grenzkontrollen versagen und nicht an der deutsch-dänischen Grenze." Uhl spricht sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus. "Wenn Europa sich dazu entschließen sollte, Flüchtlinge zu verteilen, dann vollenden wir das kriminelle Geschäft der Schleuserbanden nach Buchhaltungsmanier. Da wird Deutschland nicht mitmachen." Er fordert vielmehr Druckmittel gegen Italien, sollten diese weiterhin versuchen, Flüchtlinge aus Nordafrika mit zeitlich begrenzten Visa auszustatten und auf Europa zu verteilen, statt selbst mit den Flüchtlingen umzugehen, und stärkere Grenzkontrollen durchzusetzen. "Ein Druckmittel wäre es, italienische Flugzeuge auf deutschen Flughäfen zu kontrollieren", sagte Uhl dem Tagesspiegel.  "Italien verletzt das Schengen-Abkommen, denn Schengen ist als Element der Freizügigkeit für Europäer gedacht und nicht für Migration von Afrikanern." Und auch Grenzkontrollen italienischer Flugzeuge wären ein Bruch des Vertrags, "aber dann muss man eben auf den einen Vertragsbruch mit einem anderen Vertragsbruch reagieren. Nur so kann Italien zur Vernunft bewegt werden", erklärte Uhl. Italiens Innenminister Roberto Maroni kritisierte, seit der vorherigen EU-Sitzung vom April sei zu wenig geschehen, um den Ansturm von Flüchtlingen aus Nordafrika vor allem auf die italienische Insel Lampedusa zu stoppen. So sollten mit Tunesien gemeinsame Patrouillen vereinbart werden: "Es ist nichts passiert." Uhl zeigt Verständnis für die Forderung nach Hilfen an den EU-Außengrenzen. "Es ist nachvollziehbar, dass einige Mittelmeerstaaten mit der Kontrolle der EU-Außengrenzen überfordert sind, da muss man ihnen helfen, aber es kann nicht sein, dass diese Staaten einfach alle Flüchtlinge durchwinken."

Dänische Minderheit empört

Mit Empörung hat auch die dänische Minderheitenpartei in Schleswig-Holstein auf die Ankündigung der dänischen Regierung reagiert. "Das deutsch-dänische Grenzland wird dadurch zu einem Hochsicherheitstrakt", sagte die Fraktionsvorsitzende des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) im Kieler Landtag, Anke Spoorendonk, dem Tagesspiegel. "Für die Menschen im Grenzland wird das zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen." Betroffen seien etwa Pendler, die täglich die Landesgrenze überqueren müssten. Vor allem aber würden Menschen, die nicht typisch dänisch aussähen, also etwa eine dunkle Hautfarbe hätten, die Grenzkontrollen "massiv zu spüren bekommen". Die Entscheidung der dänischen Regierung entsende aber auch ein katastrophales Signal für das Zusammenleben in der Region. "Der Wegfall der Grenzkontrollen hat dazu geführt, dass Nachbarn sich näher gekommen sind", sagte Spoorendonk. So sei die Entwicklung eines grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts "wirklich vorangekommen", auch in der Hochschulpolitik und bei der Kultur habe es eine Annährung gegeben. All dies werde nun durch die dänische Regierung konterkariert. "Das ist eine ganz schlechte Botschaft. Auf der einen Seite will man, dass das Grenzland zusammenwächst, auf der anderen Seite werden feste und verstärkte Grenzkontrollen eingeführt. Da wird mit gespaltener Zunge gesprochen." Sie habe Verständnis dafür, dass etwas gegen organisierte Kriminalität unternommen werden müsse, die tatsächlich gestiegen sei, sagte Spoorendonk dem Tagesspiegel. Die Wiedereinführung fester Grenzkontrollen sei aber "nicht zielführend". "Man hätte auch die Hinterlandkontrollen aufstocken können, das wäre viel sinnvoller gewesen, und dagegen hätte auch keiner etwas gehabt." Dänemark habe zuletzt Stellen bei Zoll und Polizei gestrichen, jetzt sollten sie wieder aufgestockt werden. Das sei "paradox".

Dänemark hatte am Mittwoch angekündigt, bald wieder die Landgrenze zu Deutschland sowie die Häfen mit Schiffsverbindungen nach Schweden kontrollieren zu wollen. Die dänische Minderheitsregierung von Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen hatte sich damit dem Druck der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DVP) gebeugt, auf dessen Unterstützung Rasmussen bei der Haushaltskonsolidierung angewiesen ist. "Ich bin empört darüber, dass man Innenpolitik betreibt, ohne sich die außenpolitischen Folgen vor Augen zu führen", sagte Spoorendonk dazu. Die dänische Regierung sei vor der seit Jahren andauernden "Erpressungspolitik" der Rechtspopulisten "eingeknickt". "Es ist katastrophal, dass damit so viel Porzellan zerschlagen wird." Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen führe zu einem beträchtlichen Imageschaden für Dänemark. Dänemarks Integrationsminister Søren Pind verteidigte die Pläne seiner Regierung. Es handele sich nur um gezielte Zollkontrollen und nicht um generelle Personen-Überprüfungen. "Eine starke Zollkontrolle widerspricht dem Schengen-Abkommen nicht und ist im Gegenteil ein wichtiger Teil im Kampf gegen das grenzüberschreitende Verbrechen", sagte er. Kritik am "Dänenwall" sei überzogen: "Das ist "Viel Lärm um Nichts"", sagte Pind.

Was die Ankündigungen konkret für den Reiseverkehr bedeuten, ist noch unklar

Was die Ankündigung Dänemarks konkret für den Reiseverkehr bedeutet, ist noch unklar. Einen Tag nach Bekanntgabe der spektakulären Pläne war aus den zuständigen Kopenhagener Ministerien und Behörden am Donnerstag wenig zur Beantwortung praktischer Fragen zu hören. Man werde die neuen Pläne schnellstmöglich realisieren und schon in zwei bis drei Wochen "erste sichtbare Resultate" präsentieren, versicherte Finanzminister Claus Hjort Frederiksen. Lange Staus und durchgehende Passkontrollen sind aber nicht zu erwarten. Das wäre ein deutlicher Bruch des Schengen-Abkommens. Man wolle an den Grenzübergängen mit Zöllnern ausschließlich und gezielt nach mutmaßlichen Kriminellen und illegal einreisenden Flüchtlingen suchen, versicherten Politiker der rechtspopulistischen DVP. Von ihr war die Initiative zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen ausgegangen. "Die allermeisten werden freundlich durchgewunken", sagte Parteichefin Pia Kjærsgaard. Dennoch gibt es viel Unsicherheit. "Es sind zunächst nur Stichproben geplant. Schon heute stehen bei Grenzübertritten manchmal Zöllner und kontrollieren die Pässe", sagte die Sprecherin der Fährreederei Scandlines, Susanne Brigitte Kock. Sollten die Dänen jedoch wieder umfassende Grenzkontrollen einführen, müssten die Passagiere mit etwas längeren Wartezeiten rechnen. (Mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false