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Politik: Dalai Lama: Waffenhandel ist vergeudetes Geld

Der Friedensnobelpreisträger kritisiert, dass Schröder Embargo gegen China aufheben will

Wie viele politische Gefangene gibt es in Tibet?

In China ist alles Staatsgeheimnis. Freie Information gibt es nicht. Wir wissen von mindestens 200 politischen Gefangenen. Aber in Wirklichkeit gibt es viel mehr.

Sie bezeichnen Chinas Politik in Tibet als „kulturellen Völkermord“. Über eine Million Tibeter haben durch Chinas Besetzung seit 1959 ihr Leben verloren. Wie ist heute die Menschenrechtssituation in Tibet?

Materiell hat es Verbesserungen gegeben und Chinas Regierung kooperiert scheinbar liberaler. In Wirklichkeit gibt es noch immer politische Unterdrückung. Menschen werden ins Gefängnis gesteckt, weil sie Freiheit für Tibet fordern. Wir wissen auch, dass politische Gefangene gefoltert werden.

In Lhasa, der Hauptstadt Tibets, habe ich auf den Straßen schon mehr Chinesen als Tibeter gesehen. Fürchten Sie eine Überfremdung Ihrer Heimat?

Nicht nur in Lhasa, sondern in vielen Städten leben schon mehr als zwei Drittel Chinesen und bereits weniger als ein Drittel Tibeter. Wir sind eine Minderheit im eigenen Land. In vielen Dörfern allerdings leben überhaupt keine Chinesen.

Was ist der tiefste Grund für Ihre Politik der Gewaltfreiheit?

Ganz einfach – das gewaltfreie Vorgehen ist realistischer als Gewalt. Dialoge sind wichtiger und besser als Gewalt. Würde ich Gewalt vorziehen, müsste ich ja meinen Friedensnobelpreis wieder zurückgeben. Das wäre doch schade – oder? (lacht lange und herzlich)

Viele Tibeter sagen, der Dalai Lama soll zurückkommen. Ihre Autorität in Tibet scheint nach wie vor ungebrochen – nach 46 Jahren im indischen Exil. Hoffen sie noch auf eine Rückkehr?

Aus heutiger Sicht scheint die Lage in Tibet hoffnungslos. Aber global gab es in unserer Zeit große positive Veränderungen – gerade bei Ihnen in Europa. Wir beobachten diese Veränderungen ja schon seit über 20 Jahren. Ich hoffe noch immer auf positive Veränderungen in Tibet. Eines Tages werden wir friedlich mit den Chinesen zusammenleben können und Tibet wird frei sein.

Der deutsche Bundeskanzler will das Waffenembargo der EU gegenüber China aufheben. Wie finden Sie das?

Ich bin grundsätzlich gegen Waffenhandel. Das große China wird doch von niemandem bedroht – oder? Waffenhandel, das ist vergeudetes Geld. Also: Waffen – wozu?. Ich bin ein einfacher Mönch und möchte dem Frieden dienen.

Sie waren über zwanzig Mal in Deutschland. Sind Sie enttäuscht, dass – aus Angst und Feigheit vor den Chinesen – bisher weder ein deutscher Bundeskanzler noch ein deutscher Bundespräsident bereit war, Sie zu empfangen?

Ich möchte niemand Unannehmlichkeiten bereiten. Wenn gewisse Politiker Schwierigkeiten haben, mich zu treffen und sich über Tibet informieren zu lassen, dann respektiere ich das. Andererseits freue ich mich natürlich sehr, dass viele Politiker sich für Tibets Schicksal interessieren.

Der Dalai Lama ist das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter. Er lebt seit 46 Jahren in Indien im Exil. Das Gespräch führte Franz Alt.

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