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Politik: Dann kaufen wir

MESSE UND KONJUNKTURAlles klar?

Von Alfons Frese

Gönnen wir uns mal wieder was. Vielleicht einen flimmerfreien Flachbildschirm für das häusliche Kino und ein Handy mit eingebauter Kamera. Oder fehlt uns etwa die „Lust am Neuen“, wie das Motto der diesjährigen Internationalen Funkausstellung lautet? Nein, gegen diese Annahme sprechen die Hunderttausende, die sich durch die Berliner Messehallen drücken, um die neuesten Geräte für Kommunikation und Entertainment zu bestaunen. Die Begeisterung für das Neue ist da. Aber was ist mit der Kaufbereitschaft? Die kommt auch noch, glauben jedenfalls die Veranstalter der Funkausstellung und erhoffen sich eine Ifa als „Motor des Wachstums“.

Das ist gar nicht so abwegig. Messen funktionieren seit mehr als 1000 Jahren als Marktplätze, auf denen Anbieter und potenzielle Kunden zusammentreffen. Da kommen Geschäfte zustande, werden Informationen ausgetauscht und Neuheiten vorgestellt. Messen können der Wirtschaft neuen Schwung geben. Vor allem so genannte Leitmessen wie die Ifa und – noch stärker – die internationale Autoausstellung IAA, die in zwei Wochen die Autofreaks nach Frankfurt ziehen wird. „Faszination Auto“ heißt dort das Motto – in der Hoffnung, dass die faszinierten Besucher bald mal wieder einen Vertrag beim Autohändler unterschreiben. Damit endlich die Konjunktur unter Dampf kommt. Noch 1999 wurden hier zu Lande 3,8 Millionen Autos neu zugelassen, in diesem Jahr werden es nicht viel mehr als 3,2 Millionen sein. Selbst wenn das Geld da sein sollte – die Menschen scheuen langfristige Anschaffungen.

Aber jetzt kommt ja der Aufschwung. Denn im August ist im vierten Monat nacheinander die Stimmung in den Unternehmen besser geworden. Nicht nur die Geschäftserwartung, sondern auch die aktuelle Lage wird von der Mehrheit der 7000 befragten Firmen positiver eingeschätzt als zuletzt. Das hängt zusammen mit dem schwächeren Euro und dem besseren Export. Mit der Binnenkonjunktur hat das nichts zu tun. Im Gegenteil: Die Stimmung in den Firmen hellt sich auf, während die Bevölkerung Trübsal bläst. Aber was sind 7000 Unternehmen gegen 80 Millionen Verbraucher?

Seit zwei Jahren geben die Bundesbürger – wenn man die Inflationsrate abzieht – immer weniger für den Konsum aus. In einer Volkswirtschaft, deren Bruttoinlandsprodukt zu rund 60 Prozent von der Binnennachfrage abhängt, drückt das natürlich die Wachstumsrate. Und mit dem dahindümpelnden Wachstum steigen Arbeitslosigkeit und Sozialabgaben – für den Konsum bleibt noch weniger Geld übrig. Deshalb ist es gut, wenn die Bundesregierung Steuern und Sozialabgaben reduzieren will, damit die Bürger mehr Geld in der Tasche haben. Mit Tricks erreicht die Politik allerdings das Gegenteil: Rein in die linke, raus aus der rechten Tasche, das merken die Bürger. So provoziert die Politik Verärgerung und Missstimmung. Konsumfreude kommt da nicht auf.

Auch die Stimmungskanonen Wolfgang Clement und Gerhard Schröder, die in Berlin die Funkausstellung beziehungsweise in Frankfurt die Autoschau eröffnen, werden daran wenig ändern. Kein Vernünftiger wird sich für ein neues Auto oder eine Stereoanlage verschulden, wenn der Arbeitsplatz unsicher ist und er nicht genau weiß, welche Belastung in den nächsten Jahren für Gesundheits und Rentenvorsorge und für die Ausbildung der Kinder ansteht. Deshalb ist Klarheit wichtig: Wo geht es lang und was kommt aus welchen Gründen auf mich zu? Nur wer verlässlich kalkulieren kann, ist auch bereit zu investieren.

„Die Lust am Neuen“ – das diesjährige Motto der Funkausstellung taugte auch gut als Leitwort für die gesamte Gesellschaft, deren Wirtschaft so schwach ist. Die jüngste Stimmungsumfrage bei den Unternehmen deutet auf eine bessere Konjunktur hin, die strukturellen Umstände kommen dagegen kaum in Bewegung. Dabei ist doch den meisten klar, dass wir alle etwas länger arbeiten müssen. Vielleicht stagniert auch für ein paar Jahre der Wohlstand, weil es nichts mehr zu verteilen gibt. Und wahrscheinlich kommt noch viel mehr an Eigenverantwortung und Flexibilisierung auf uns zu.

Aber ist das alles so schlimm? Nein. Wenn wir wissen, wohin die Reise geht und dass sich die Anstrengung lohnt, dann gönnen wir uns auch wieder was.

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