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Politik: „Das bedeutet Bürgerkrieg“

Was erwarten Sie von der im Juli geplanten internationalen Nahost-Friedenskonferenz? Ich bin nicht sicher, ob sie überhaupt stattfindet.

Was erwarten Sie von der im Juli geplanten internationalen Nahost-Friedenskonferenz?

Ich bin nicht sicher, ob sie überhaupt stattfindet. Die USA werden nur dann zu der Konferenz einladen, wenn sie davon überzeugt sind, dass etwas Positives dabei herauskommt. Wenn eine solche Konferenz zu früh einberufen wird und scheitert, wird das für die Region ein weiteres Drama sein. Das wird Präsident Bush nicht tun.

Keine Konferenz – für Israel würde das bedeuten, dass der gewalttätige Konflikt mit den Palästinensern ungebrochen weitergeht.

Nicht unbedingt. Es gibt auch andere Wege. Man könnte zum Beispiel auf eine regionale Friedenskonferenz zu setzen als auf ein großes internationales Treffen. Staaten wie Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien sind zunehmend daran interessiert, dass die Gewalttaten aufhören. Diese drei Regierungen sind zu dem Schluss gekommen, dass es für sie zu gefährlich ist, in dieser Weise von dem Verhalten Arafats abhängig zu werden. Sie haben begriffen, dass sie jetzt selbst die Ärmel hochkrempeln müssen.

Woraus schließen Sie das?

Mubarak hat vor einigen Tagen in einem Interview gesagt, dass er glaubt, Arafat werde innerhalb der nächsten zwölf Monate auf eine rein repräsentative Rolle reduziert sein. Diese Bemerkung zeigt, dass sie die Gefahren, die von Arafats Verhalten für die Stabilität ihrer eigenen Länder ausgehen, deutlich anders beurteilen als bislang. Darum sind sie zum ersten Male bereit, größere Verantwortung zu übernehmen. Bislang galt die Doktrin, die Palästinenser bestimmen ihr Schicksal selbst. Heute fragen sich diese Länder, was ist bei dieser palästinensischen Selbstbestimmung herausgekommen? Und ihre Antwort lautet: Gewalt und Gefahren für die gesamte Region.

Viele Bürger Israels sind überzeugt, ihr Land sollte nicht mehr verhandeln und sich stattdessen einseitig aus Gaza und der Westbank zurückziehen. Einen Zaun bauen und fertig. Was halten Sie davon?

Solche Konzepte klingen gut und einleuchtend. Umfragen in Israel zeigen, dass eine große Mehrheit für einen einseitigen Rückzugs plädiert. Aber wenn es dann um die konkreten Einzelheiten und vor allem um die politischen Kosten geht, sinkt die Zustimmung rapide ab.

Welche politischen Kosten meinen Sie?

Wenn Israel wirklich eine Trennung der Gebiete erreichen will, muss es eine sehr große Zahl von Siedlungen aufgeben. Denn diese lassen sich dann nicht mehr schützen, genauso wenig wie die Zugangsstraßen. Die meisten Israelis wünschen sich zwar nichts sehnlicher als eine Trennung von den Palästinensern. Aber praktisch gibt es große Probleme.

Das Hauptproblem bei einem einseitigen Rückzug sind also die jüdischen Siedler?

Die Siedler repräsentieren ein wichtiges Segment in der israelischen Politik. Ministerpräsident Rabin wurde ermordet, obwohl er nicht eine einzige Siedlung aufgelöst hat. Stellen Sie sich also vor, ein israelischer Regierungschef würde heute entscheiden, die Mehrzahl der Siedlungen aufzugeben, um den einseitigen Rückzug machen zu können. Und dann wäre eine solcher Schritt immer noch keine Garantie, dass endlich Frieden einkehrt. Denn die Palästinenser könnten dies auffassen als einen ersten Erfolg und sich ermutigt fühlen, mit den Angriffen auf israelische Bürger weiterzumachen.

Befürchten Sie einen Bürgerkrieg in Israel?

Wenn Bürgerkrieg bedeutet, dass eine kleine Zahl von extrem militanten Leuten nach der Evakuierung ihrer Siedlungen mit Waffen gegen die übrige Gesellschaft vorgeht, dann ist ein Bürgerkrieg in Israel sehr wahrscheinlich. Wir werden dann über Jahre mit einem riesigen innenpolitischen Problem zu kämpfen haben. Die Evakuierung der Siedlungen auf dem Sinai nach dem Friedensvertrag mit Ägypten 1979 waren ein Klacks dagegen.

Das Gespräch führte Martin Gehlen.

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