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Politik: „Das grenzt an Kriminalität“ Heliskiing in Kanada

hält der Tourismusexperte Karl Born für unverantwortlich. Trotzdem sollten Reisende aber vor allem – Urlaub machen.

Herr Born, dürfen Touristen alles?

Es gibt natürlich auch Grenzen. Nehmen Sie das Beispiel Heliskiing in Kanada. Das ist meine absolute Nummer eins: Ich fliege, weil ich Skifahrer bin, nach Kanada. Fliege mit dem Hubschrauber irgendwo hoch und fahr dann runter. Das grenzt unter der Überschrift der Nachhaltigkeit an Kriminalität. Wenn ich unbedingt Hubschrauber fliegen will, dann kann ich das hier in Europa. Und Skigebiete gibt es ja wohl auch genug.

Und was ist Ihre Nummer zwei?

Die spielt überall dort, wo die Tierwelt besonders gefährdet ist. In meiner Zeit bei Tui haben wir die Ausflüge zu bestimmten Gebieten weggelassen, weil dort die Schildkröten ihre Eier legen. Allerdings haben dann die Taxifahrer unser Geschäft übernommen. Aber damit muss man leben. Die Grenze liegt für mich da, wo man Dinge macht, die man mit dem gleichen Lustgewinn umweltschonender machen könnte. Heliskiing in Kanada, das ist wie: Ich will einmal über die Golden Gate Bridge gejoggt sein.

Auch schön.

Ja, ich bin auch über die Brücke gejoggt. Aber ich bin nicht extra dafür nach San Francisco geflogen. Wenn ein Kanadier Heliskiing in Kanada macht, ist das auch schon wieder etwas anderes.

Müssen sich Urlauber mehr Gedanken über solche Fragen machen als bisher?

Das Bewusstsein ist in den vergangenen 20 Jahren ungeheuer gewachsen. Immer weniger Urlauber gehen als Mann mit kurzen Hosen oder als Frau im kurzen T-Shirt in die Moschee. Das gibt es heute fast gar nicht mehr. Und beim Umweltschutz ist es heute so, dass die Einheimischen sträflicher damit umgehen als die Urlauber. Aber wenn es um die Auswahl des Ortes für den Haupturlaub geht, dann spielt die Umwelt nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Auch der CO2-Ausstoß.

Ist die Nachhaltigkeit noch immer kein Wirtschaftsfaktor?

Doch, selbstverständlich. Mein ehemaliger Konzern zum Beispiel zeichnet jedes Jahr seine umweltfreundlichsten Hotels aus. Um sie anschließend besser verkaufen zu können. Und das ist doch toll, wenn Umweltschutz und wirtschaftliche Interessen zusammen kommen. Das bringt die Entwicklung voran.

Und ziehen Sie auch eine politische Grenze bei der Auswahl von Reisezielen?

Ich habe als kleiner Junge schon von Südafrika geträumt. Aber ich habe es mir während des Apartheid-Systems immer verkniffen, dort hinzureisen. Allerdings hat dort ein gemeinsamer wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Boykott stattgefunden – ein einzigartiger Vorgang.

Sollten wir heute ebenfalls Diktaturen boykottieren?

Jüngst wurde die Autobahn von Hannover nach Wolfsburg gesperrt, damit Frau Merkel in einem Kleinbus mit dem chinesischen Staatspräsidenten dort entlangfahren konnte. Wie kann man da gleichzeitig Touristen sagen, dass sie nicht nach China reisen dürfen? Hier ist die Politik gefragt.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung hat vorgeschlagen, in Reisekatalogen Warnstempel anzubringen wie bei Zigaretten.

Das ist doch absurd. Noch vor ein paar Jahren hat doch Angela Merkel gesagt: Herr Mubarak (Ägyptens Exdiktator, die Red.) ist ein Freund Deutschlands. Sollen dann die Reiseunternehmen stempeln: „Vorsicht, Sie reisen in eine Diktatur“?

Die UN-Tourismusorganisation hat einen ethischen Kodex für den Tourismus aufgestellt. Was halten Sie davon?

Als Zielvorgabe schadet es ja nicht. Und immerhin spiegeln sich darin Veränderungen im gesellschaftlichen Bewusstsein. Bei meiner ersten Tätigkeit in Thailand bin ich auf das Problem gestoßen, dass die Einheimischen Kinderprostitution vehement negiert haben. So etwas gebe es nicht. Dabei musste man nur mit offenen Augen durch die Straßen gehen. In unseren Katalogen stand dann „tolerantes Hotel“, und man wusste ganz genau, was das heißt. Das Umdenken in der Gesellschaft hat schließlich die Politik – nach Jahrzehnten – dazu gebracht, sich des Problems der Kinderprostitution im Ausland anzunehmen. Und die „toleranten Hotels“ gibt es auch nicht mehr in den Katalogen.

Welche Kriterien stellen Sie auf?

Die Tourismusbibel ist für mich die Agenda 21 von Rio mit den drei Säulen Ökologie, Ökonomie und sozialen Bedürfnissen der Menschen. Daran muss sich die Tourismusindustrie orientieren – und natürlich auch die Reisenden. Die Überhöhung nur eines der Ziele geht in die falsche Richtung.

Das Gespräch führten Barbara Junge und Juliane Schäuble.

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