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Politik: Das steht zur Wahl

Bremen stimmt über eine neue Bürgerschaft ab: Kandidaten, Konzepte und Konsequenzen

Bei der einzigen deutschen Landtagswahl in diesem Jahr können am heutigen Sonntag 487 000 Wahlberechtigte in Bremen und Bremerhaven die 83 Abgeordneten der Bürgerschaft bestimmen, das Landesparlament des Zwei-Städte-Staates. Die wichtigsten Aspekte der Wahl:

Die Ausgangslage: Seit zwölf Jahren regieren in Bremen SPD und CDU, es ist die dienstälteste große Koalition Deutschlands. Obwohl Bremen eine Grünen- Hochburg ist, saß die Partei meist in der Opposition. Nur nicht von 1991 bis 1995 in der rot-gelb-grünen Koalition.

Die Koalitionsfrage: Die Union möchte das Bündnis mit der SPD unbedingt fortsetzen – weil dies am besten sei für die extrem verschuldete Hansestadt, die immer auf Hilfe vom Bund angewiesen ist, so das offizielle Argument; und weil die CDU sonst keine Chance auf Machtbeteiligung hat, so die inoffizielle Begründung. Mit der schwächelnden FDP bekäme sie keine Mehrheit zustande. Die Grünen streben eine Neuauflage des Modells „Rot-Grün“ an, das seit 2005 in keinem Bundesland mehr praktiziert wird.

Die SPD: Rot-Grün oder Rot-Schwarz – beides wäre laut Umfragen rechnerisch möglich, und die Sozialdemokraten wollten sich auch bis zum Wahltag nicht festlegen lassen. Parteiintern wird eher mit der vierten Auflage von Rot-Schwarz gerechnet, auch wenn viele an der Basis genug haben von dem Bündnis. Entschieden ist aber noch nichts. Sonst, sagt Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), könnte man die Wahl ja gleich absagen und die große Koalition als einzige Regierungsform in der Landesverfassung verankern.

Die bundespolitischen Folgen: Bei einer rot-grünen Koalition in Bremen würden CDU und SPD im Bundesrat ihre Zwei-Drittel-Mehrheit verlieren, die für Grundgesetzänderungen nötig ist.

Der Wahlkampf: SPD und CDU waren wochenlang kaum zu unterscheiden. Beide betonten soziale Themen wie bessere Kinderbetreuung und rangelten allenfalls darum, wer hier das Original und wer die Kopie sei. Gemeinsam bemühten sie sich in zwei Untersuchungsausschüssen aufrichtig darum, den Tod des kleinen Kevin und eine Klinik-Korruptionsaffäre aufzuklären. Heißer wurde der Wahlkampf erst, als die CDU die Beschäftigung der Ex-RAF-Terroristin Susanne Albrecht als Sprachförderlehrerin anprangerte. SPD und Grüne empörten sich über das Wahlkampfmanöver zulasten einer längst Resozialisierten.

Die Parolen: „Keine rot-grünen Experimente!“, fordert die CDU ähnlich wie vor 50 Jahren ihr Bundeskanzler Konrad Adenauer, der mit dem Slogan „Keine Experimente!“ damals 50,2 Prozent für die Union einfuhr. Die Bremer SPD setzt auf „Mindestlohn jetzt“, und die Grünen plakatieren unter anderem: „Am 13.5. nehmen wir der CDU den Schlüssel ab“.

Die Spitzenkandidaten: Als die Bremer SPD 2005 einen Nachfolger für Bürgermeister Henning Scherf suchte, setzte sich der damalige Chef der Bürgerschaftsfraktion, Jens Böhrnsen (57), bei einer Mitgliederbefragung gegen Bildungssenator Willi Lemke durch. Damit war klar, dass Böhrnsen auch als Spitzenkandidat in die Bürgerschaftswahl ziehen würde. Die CDU vollzog den Generationenwechsel: Vor vier Jahren kandidierte der damalige Finanzsenator Hartmut Perschau, der jetzt 65 ist; diesmal steht der 40-jährige Innensenator Thomas Röwekamp auf Platz eins der Bremer Liste. Grüne Spitzenfrau ist zum zweiten Mal Fraktionschefin Karoline Linnert (48).

Die Linke: Die Linkspartei tritt mit Kandidaten der „Wahlalternative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ (WASG) als „Die Linke“ an. Sie hofft, in Bremen erstmals den Sprung in ein westdeutsches Landesparlament zu schaffen. Wahlumfragen geben ihr 4,5 bis 5,5 Prozent.

Die FDP: Fünf bis sechs Prozent werden den Liberalen vorausgesagt. Sie möchten zum ersten Mal seit 1995 wieder in Fraktionsstärke ins Bürgerschaftsgebäude einziehen, wo in den vergangenen vier Jahren nur ein Abgeordneter für sie saß.

Die Rechten: Abgesehen von einer vierjährigen Unterbrechung ist die DVU seit 1987 in der Bürgerschaft vertreten, meistens mit einem Abgeordneten aus Bremerhaven. In der Stadt Bremen kandidieren auch die „Republikaner“ und in Bremerhaven die „Bürger in Wut“ um den Ex-Landeschef der Schill-Partei. In beiden Städten tritt erstmals die Wählerinitiative „Bremen muss leben“ an. Mit den Forderungen nach Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung spricht sie vor allem bürgerliche Ältere an. Spitzenkandidat Joachim Siegerist (60) ist wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhass und Beleidigung vorbestraft. Er stand als Rechtsextremist im Verfassungsschutzbericht, versucht seinen braunen Hintergrund aber zu verschleiern.

Das Wahlrecht: Im Zwei-Städte-Staat müssen Kandidaten nur in einer Stadt und nicht im ganzen Bundesland die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Davon profitierten bei der letzten Wahl FDP und DVU: Beide überwanden die Sperrklausel nur in Bremerhaven.

Die Aussichten: Wer auch immer an diesem Sonntag gewählt wird – viel ändern wird sich in Bremen nicht. Für die zentralen Probleme des kleinsten Bundeslandes hat keine Partei eine überzeugende Lösung: die extreme Verschuldung und die hohe Arbeitslosigkeit, allein in Bremerhaven 19 Prozent, als läge die Stadt in Ostdeutschland.

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