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Politik: Das Ungeheuer von Jolo

Die USA haben auf den Philippinen gegen die Abu Sayyaf mitgekämpft. Jetzt zeigt sich: Die Terroristen sind noch lange nicht besiegt

Von Moritz Kleine-Brockhoff,

Jakarta

General Romeo Tolentino ist ein ruhiger Mann, aber jetzt ist der Kommandant der philippinischen Armee auf der Insel Jolo mürrisch: „Der 11. September und die Folgen für uns? Ich habe hier eine Geiselkrise und keine Zeit zum Philosophieren.“ Ein Jahr nach den Anschlägen in New York und Washington und kurz nach dem Ende des Einsatzes von US-Soldaten im Süden der Philippinen versucht Tolentino nach wie vor vergeblich, der Abu Sayyaf auf Jolo das Handwerk zu legen. Zwei Geiseln haben die Verbrecher dort gerade enthauptet, vier Frauen halten sie noch fest.

Tolentino kennt das Spiel, bei dem immer Geld oder Blut fließt. Schon vor zwei Jahren, als die Abu Sayyaf auf Jolo die Göttinger Familie Wallert festhielt, war er dort Chef der Truppen. Kurz nach dem 11. September 2001 kamen dann über 1000 Soldaten auf die Nachbarinsel Basilan zum Kampf gegen die Abu Sayyaf. Dort wurde ein amerikanisches Ehepaar als Geiseln gehalten. Nach Jolo kamen die Amerikaner nicht.

„Wie können wir helfen?“, hatte US-Präsident George W. Bush seine philippinische Amtskollegin Gloria Arroyo nach dem 11. September gefragt. Gemeint war wohl: „Was müssen wir tun, damit Sie gegen Ihre Verfassung US-Truppen ins Land lassen?“ Die USA sagen, dass die Abu Sayyaf Verbindungen zu Osama bin Ladens Al-Qaida-Netzwerk hat. 1995 hatte die Polizei in Manila eine Al-Qaida-Zelle ausgehoben, die Anschläge auf Flugzeuge plante, die von Asien in die USA fliegen. Seitdem sind offiziell keine Hinweise mehr für die Arbeit des Netzwerks auf den Philippinen bekannt. Aber offensichtlich wollten die USA einen schnellen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus. Auf Basilan erreichten sie ihn, ihr Engagement war auf eine Insel und auf sechs Monate begrenzt.

Präsidentin Arroyo soll für ihre sehr freie Interpretation der Verfassung von den USA Zusagen im Wert von vier Milliarden Dollar bekommen haben: Kredite, Zollvergünstigungen und Militärhilfe für den Kampf gegen die Abu Sayyaf. „Meine Wunschliste war lang, ich habe einiges bekommen“, sagte auch Angelo Reyes, der philippinische Verteidigungsminister: unter anderem ein Transportflugzeug und 30 Millionen US-Dollar für die Ausbildung der Soldaten. Nun ist die Abu Sayyaf auf Basilan geschwächt, insgesamt sollen 70 Prozent ihrer Kämpfer tot oder gefangen sein. Aber besiegt ist die Gruppe nicht, sie agiert an anderen Orten, vor allem auf Jolo. Selbst wenn die Abu Sayyaf ausgeschaltet wäre – die Probleme auf den Inseln Mindanao, Basilan und Jolo, wo viele Moslems der ansonsten von Katholiken dominierten Philippinen leben, können mit Gewehren nicht gelöst werden.

Ursprünglich wollte die Abu Sayyaf das Recht auf Selbstbestimmung für die Moslems erzwingen. Seit einigen Jahren machen die Terroristen nur noch mit Entführungen und Enthauptungen Schlagzeilen, aber für die Moslems wären Armutsbekämpfung und gerechter Zugang zu Bildung und Ämtern die entscheidenden Themen. „Die Situation, aus der die Abu Sayyaf entstand, die Armut, die Arbeits- und Hoffnungslosigkeit, muss angegangen werden“, weiß deshalb auch Francis Ricciardone, US-Botschafter in Manila. Selbst wenn die Abu Sayyaf besiegt sein sollte, könnten andere Leute ihren Platz einnehmen: „Die Geschichte ist nicht vorbei, die Aufgabe nicht erledigt.“ Im Oktober wollen die US-Soldaten wiederkommen.

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