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Donald Trump oder Hillary Clinton - wer konnte mehr Wähler mobilisieren?

© AFP

Daten im US-Wahlkampf: Wie Datenanalysten über den nächsten US-Präsidenten entscheiden

Den sogenannten Datacrunchern kommt im US-Wahlkampf eine entscheidende Rolle zu. Auch deshalb geben sie sich gerne geheimnisvoll. Eine Reportage.

An diesem Dienstag wählt Amerika seinen nächsten Präsidenten. Die Botschaft der letzten Tage bis zum 8. November war: „Get out the vote“, sprich: So viele Wähler mobilisieren wie möglich. Dabei kommt es auf Menschen an wie Tom Bonier: Arbeiter in den Datenzentren dieses Wahlkampfs. Sie spüren potentielle Wähler auf, suchen permanent neue Ziele. Die Datenmengen, mit denen sie dafür operieren sind gewaltig.

In Washington, in New York und in einigen kalifornischen Städten arbeiten die sogenannten Pollster, Forecaster, Datacruncher. Auf sie kommt es in dieser Datenschlacht im Wahlendspurt an. Bustouren und Tür-zu-Tür-Wahlkampf gibt es nach wie vor. Aber Donald Trump und Hillary Clinton haben dabei Daten-Experten mit an Bord, die auch schon Barack Obama ins Weiße Haus brachten. Denn es geht darum, an die richtigen Türen zu klopfen, zur richtigen Zeit, mit der richtigen Botschaft.

Tom Bonier arbeitet Hillary Clinton zu. Der Politstratege ist Chef der Datenzentrale „Target Smart“. Auf dem Flur vor seinem Büro lehnt ein Korb mit einem Stück Rollrasen, einem Golfschläger und drei Bällen. Ziele ausmachen und passgenau treffen, darum geht es. „Effektivität und Effizienz“, sagt Bonier. „Target Smart“ bietet die Analyse und Aufbereitung großer Datensätze an. Sie sind der Rohstoff, der über den nächsten Präsidenten entscheidet. Entsprechend wenig dringt aus der Szene nach außen über Schlachtpläne und Codes.

Boniers Büro ist hellblau gestrichen und leer. Eine schwarze Telefonspinne auf dem Tisch, keine Akten, keine Ordner. So sieht es aus, das Innenleben dieser Präsidentschaftswahlen. Tom Bonier lehnt sich zurück und verschränkt die Arme über dem Kopf. Seit Obama hat sich die Art, potenzielle Wähler zu identifizieren, gewandelt, sagt er. Allein der Datensatz seiner Firma ist gewaltig: 191 Millionen registrierte Wähler. 58 Millionen Amerikaner, die wählen könnten, aber nicht registriert sind. (Noch nicht.) Kundendaten von über 200 Millionen Menschen. 254 Millionen Handy- oder Festnetznummern.

Bis solche Datenmassen gesammelt sind, vergehen Jahre. Alles beginnt mit einzelnen Rohdatensätze: Telefonnummern und Kundendaten, Name, Wohnort, Geschlecht. Dieser Teil der Daten wird meist aus öffentlichen Statistiken und Bekanntmachungen extrahiert, aber auch Vermerke wie Jagd- und Angelscheine gehören dazu. Alles wird akribisch gesammelt und vereinheitlicht. „Unsere Daten haben eine erstaunliche Tiefe“, sagt Bonier. Vor allem, wenn mehrere Datensätze gekreuzt würden.

„Target Smart“ verfügt so über eine Liste registrierter, demokratischer Wählern. „Sauber und aktuell müssen unsere Zeilen und Tabellen sein“, sagt Tom Bonier. Diese setzt seine Firma zum „voter file 2.0“ zusammen, 1.500 Spalten mit Informationen. Hier hat sich während des Vorwahlkampfes auch die Kampagne von Bernie Sanders bedient und Telefonnummern gekauft. Die Telefonnummer eines potenziellen Wählers kostet einen Penny. In diesem Wahlkampf wurden Millionen Telefonnummern verkauft, hinter jeder steckt ein potentieller Wähler – oder eine ganze Familie.

Die Anforderung: Wahlwerbung passgenau ausliefern

Über den anderen Teil der Daten machen die Datenlabore ein großes Geheimnis, es ist kaum nachzuverfolgen, auf welchem Weg diese Informationen ihren Weg zu Firmen wie "Target Smart" finden. „Uns interessieren keine persönlichen Details, sondern die größeren Muster dahinter – und wie wir sie nutzen können“, sagt Bonier. Die Kritik am Umgang mit Bürgerdaten zu Wahlkampfzwecken allerdings lässt er damit nicht verstummen. Besonders aus dem Umgang mit Social-Media-Kanälen machen viele Unternehmen ein Geheimnis: Facebook eigne sich eher zum Transportieren von Botschaften, Twitter besser zum Absaugen von Informationen. Über genaue Details schweigt man sich aus, offiziell soll es keinen Zugriff auf Nutzerdaten geben. Mit steigenden Userzahlen, Hashtags, und immer mehr hochgeladenen Informationen steigt allerdings auch das Interesse der Datenzentralen, sich anzudocken.

Denn mithilfe großer Datensätze können politische Kampagnen, die Kunden der Datenzentralen, ihre Wahlwerbung passgenau ausliefern. Sie wissen schon vor dem Anklopfen, wer hinter der Tür wohnt. Und dass am besten dienstags vor elf Uhr angeklopft werden sollte. All diese Erkenntnisse gehen auf die Arbeit mit großen Datensätzen zurück.

Die Anfänge dieses Geschäftes führen in ein kleines Townhouse im Schatten des Kapitols, in den Südosten von Washington. Hier unten im Keller residiert "Aristotle", die Datenzentrale von John Phillips, 60. Phillips hat dutzende Senatoren und Abgeordnete in den Kongress gebracht. Er pflegt eine Datenbank, die schon Ronald Reagan beim Wahlsieg geholfen hat. Seither, so geht der Mythos, hat sie jedem Präsidenten gedient, egal aus welcher Partei. Heute ist in der Szene kaum etwas geheimnisvoller als die Phillips-Datenbank. Knapp 80 Prozent aller Amerikaner, die wählen dürfen, sollen darin verzeichnet sein. Wo genau die Daten lagern, verrät Phillips nicht. Off site, irgendwo in Europa.

Entscheidet sich ein Kunde für die Dienste der Firma, erhält er Zugang zu Datenbank und Details potentieller Wähler; Telefonnummern, Wohnorte, Führerscheininhaber. Einkommen oder Zahl der Waffen im Haushalt. Am Ende soll das Bild des anvisierten Wählers so klar wie möglich sein. Die Tage der Analysten von „Aristotle“ folgen einem festen Modus: Daten verkaufen oder gleich für den Kunden analysieren. Auch zum Fundraising können Kunden die Datenbanken nutzen.

Bei "Target Smart" öffnet Tom Bonier nun noch einmal seine Datenbank, setzt Parameter und Häkchen. Er sucht an diesem Morgen gezielt nach Demokraten aus Alabama, die 2012 zur Wahl gingen. Bonier verfeinert das Raster, Alter und Geschlecht, und einige andere Kriterien. 10 Sekunden dauert das, seine Datenbank arbeitet und spuckt eine Trefferzahl aus: 1.583.129. Diese kritische Masse könnte Bonier mit seinen Analysten nun kontaktieren, informieren, attackieren. Get out the vote!

„In Deutschland wäre all das Datensammeln wohl weniger erlaubt, stimmt´s?“, sagt er.

Christian Schweppe

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