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Koalition uneins: De Maizière sieht "Schutzlücke"

Die Regierungskoalition steuert auf einen weiteren größeren Konflikt zu. Strittig ist diesmal der Umgang mit der Vorratsdatenspeicherung, bei der die Positionen von Union und FDP weit auseinanderliegen.

Von Frank Jansen

Berlin - Das von Thomas de Maizière (CDU) geführte Innenministerium und das Bundeskriminalamt pochen auf die rasche Einführung einer gesetzlichen Regelung, wonach Internet-Provider die mit einer IP-Adresse verbundenen Kundendaten sechs Monate speichern müssten. Die IP-Adresse ist eine individuelle Zahlenkombination, über die ein Computer im Internet erreichbar ist. Ministerium und BKA sagen, für die Verfolgung schwerer Verbrechen bis hin zum Terrorismus sei es dringend nötig, wenigstens ein halbes Jahr lang bei den Providern auf die Verkehrsdaten zur IP-Adresse zugreifen zu können. Die FDP lehnt das ab. Die Massenspeicherung von Kommunikationsdaten sei nicht erforderlich, sagte am Freitag Christian Ahrendt, parlamentarischer Geschäftsführer der FPD-Fraktion.

De Maizière und BKA-Präsident Jörg Ziercke warnten hingegen am Freitag vor einer immer größer werdenden „Schutzlücke“. Es dürfe nicht vom Geschäftsmodell eines Providers zur Speicherung von Kundendaten abhängen, ob die Aufklärung von Straftaten und die Abwehr von Gefahren möglich sind, sagte de Maizière. Und Ziercke mahnte: „Ohne gespeicherte Verkehrsdaten ist eine Identifikation von IP-Adressen nicht möglich.“

Auslöser des Streits zwischen Union und FDP ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März. Die Richter in Karlsruhe kippten die Vorschriften, mit denen der Bundestag im Jahr 2007 eine Richtlinie der Europäischen Union zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt hatte. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und fast 35 000 weitere Personen hatten Verfassungsbeschwerden eingelegt. Laut Gericht widersprechen die deutschen Vorschriften zur anlasslosen, sechsmonatigen Speicherung der Telekommunikationsdaten für Zwecke der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Generell sei die Speicherung der Daten aber mit dem grundgesetzlich geschützten Fernmeldegeheimnis „nicht schlechthin unvereinbar“.

Ein verbesserter Gesetzentwurf müsste nun vom Bundesjustizministerium kommen. Seine freidemokratische Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberg hatte sich jedoch an den Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung beteiligt. Ein Sprecher des Ministeriums sagte jetzt auf die Frage nach einem Gesetzentwurf, der Zeitraum sei offen und „der Spielraum ist eng nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts“. Doch damit werden sich de Maizière und das BKA nicht zufrieden geben.

Ziercke betonte, von März bis Mitte September habe das BKA bei 880 von 1157 „Auskunftsersuchen zu Anschlüssen“ keine brauchbare Antwort von den Telekommunikationsanbietern erhalten. In den meisten dieser Fälle waren Ermittlungen wegen Kinderpornografie anhängig, es ging allerdings auch um Tötungsdelikte und Terrorismus. Aufgrund der „Negativauskünfte“ der Provider „konnte die zugrunde liegende Straftat in 479 der Fälle nicht aufgeklärt werden“, sagte Ziercke. Und de Maizière ergänzte, die Schutzlücke sei „bewiesen“. Frank Jansen

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