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Bahnchef Rüdiger Grube mit dem ehemaligen Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), der demnächst bei der Bahn anheuern wird.

© picture-alliance/dpa

Debatte über Karenzzeiten für Minister: Berufsverbot für Ex-Regierungsmitglieder?

Drei Jahre Karenzzeit für ehemalige Minister und Staatssekretäre, wie die Grünen das fordern, gleichen einem Berufsverbot für Politiker. Es gibt problematische Fälle. Aber warum sollten ehemalige Regierungsmitglieder ihr Wissen nicht nutzen, vielleicht sogar zum Guten? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Wenn Politiker in die Wirtschaft wechseln, ist die Aufregung immer groß. Zuletzt schlugen die Wellen hoch, als bekannt wurde, dass der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn einrücken wollte und immer noch soll. In der kommenden Woche verlangen die Grünen, dass ihr schon zwei Mal von der Tagesordnung genommener Antrag zur Einführung von Karenzzeiten für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre endlich behandelt wird oder zumindest ein Bericht darüber vorgelegt wird, wie die Regierung das Problem zu lösen gedenkt. Die Grünen fordern wie Transparency International und Lobby-Control, dass ausscheidende Regierungsmitglieder eine dreijährige Frist verstreichen lassen müssen, bevor sie eine berufliche Tätigkeit übernehmen, die mit ihren Regierungsaufgaben zu tun hat.

Es gibt Fälle, in denen es unmittelbar einleuchtet, dass eine Karenzzeit gerechtfertigt wäre. Andreas Breitner (SPD), der in Schleswig-Holstein seinen Innenministerposten hinschmeißt, um Chef der norddeutschen Wohnungsbauunternehmen zu werden, für die er eben noch zuständig war, und der die Firma kurz vor seinem Ausstieg auch noch in den höchsten Tönen lobt, ist so ein Fall. Auch ein Wechsel eines für Atomfragen zuständigen Staatssekretärs in die Atomsparte eines Energiekonzerns, den er zuvor mit zu überwachen hatte, ist höchst angreifbar. Noch problematischer ist aber oft der Wechsel aus der Wirtschaft in ein Regierungsamt. Wenn ein Atommanager in die Atomaufsicht rotieren würde, würde auch das zu Recht einen Sturm der Entrüstung auslösen.

Ist es besser, Ex-Minister drei Jahre spazieren zu schicken?

Trotzdem ist die Frage, ob Karenzzeiten das Problem lösen würden, und ob solche Karenzzeiten nicht ganz schnell zum Berufsverbot für Politiker werden, nicht weniger berechtigt. Ronald Pofalla ist so ein Beispiel. Er hatte nicht direkt mit der Deutschen Bahn zu tun, als Kanzleramtsminister war er aber auch irgendwie allzuständig. Vielleicht hatte er also doch mit der Bahn zu tun. und natürlich hat er wichtige Telefonnummern, die andere nicht haben. Aber was heißt das? Auf dem Arbeitsmarkt gilt, dass derjenige die besten Karten hat, der über Berufserfahrung und möglichst einmaliges Wissen verfügt. Wer als Berufspolitiker in eine Regierung einzieht und irgendwann erkennt, dass es vielleicht doch noch ein Leben da draußen gibt, müsste dann erst einmal drei Jahre lang spazieren gehen, bevor er sein durch die politische Erfahrung im Amt erworbenes Wissen beruflich wieder einsetzen dürfte. Und nach drei Jahren wäre er oder sie vermutlich auch nicht mehr 100-prozentig im Stoff - und damit auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar. Womit sonst sollten Politiker auf Jobsuche denn punkten, wenn nicht mit ihrer Erfahrung und ihrem in Jahren angesammelten Wissen?

Die Grünen haben auch selbst Probleme mit Karenzzeiten

Die Grünen selbst haben in ihren eigenen Reihen Fälle gehabt, die aus einem Regierungsamt in die Wirtschaft rotierten, und deren neue Jobs durchaus mit ihrem alten zu tun gehabt haben. Das vielleicht prominenteste Beispiel ist Matthias Berninger, der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium war und dann zu einem Süßwarenkonzern gegangen ist. Die feine Ironie daran: Berninger war an den Kampagnen des damals von Renate Künast (Grüne) geführten Hauses gegen Übergewicht bei Kindern beteiligt gewesen.

Reicht nicht eine Transparenzverpflichtung?

Wäre es nicht vernünftiger, Ex-Regierungsmitglieder ihre Ressourcen nutzen zu lassen, sie aber zu Transparenz zu verpflichten? Dann müssten ehemalige Regierungsmitglieder über einen Zeitraum von vielleicht fünf Jahren in einer öffentlich zugänglichen Datenbank der Regierung zugänglich machen, was sie beruflich nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt tun oder vorhaben. Wenn es dann ernst zu nehmende Gründe gibt, sie daran zu hindern, dürfte die öffentliche Debatte darüber ausreichen, um sehr problematische Entscheidungen zu vermeiden. Zu den problematischen Entscheidungen würde gewiss gehören, beruflich da weiter zu machen, wo man zuvor als Minister entsprechende Verträge ausgehandelt hat. Aber jedes ausscheidende Regierungsmitglied müsste sich Gedanken darüber machen, ob das den eigenen Ruf ruinieren will oder nicht. Auch Nicht-Regierungsorganisationen und Wohlfahrtsverbände als künftige Arbeitgeber sollten in diesem Zusammenhang übrigens als Lobby verstanden werden, die das Politikerwissen nutzen will. So groß sind die Unterschiede zur Privatwirtschaft in einer gut geführten NGO oder einem stringent geleiteten Wohlfahrtsverband nun auch nicht.

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