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Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und der Regierende Bürgermeister Michael Müller

© Wolfgang Kumm/dpa

Debatte um Flughafen Tegel: Methode Abtauchen in Berlin

Aus Angst vor dem Volksentscheid vermeidet Berlins Regierender Bürgermeister eine eindeutige Positionierung zur Zukunft des Flughafens Tegel. Damit schadet Michael Müller der politischen Kultur dieser Stadt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Wenn es um Tegel geht, sucht Michael Müller zurzeit vor allem eines: den Notausgang. Am Donnerstag in der Plenardebatte zum Flughafen Tegel verschwand er lieber, kurz bevor Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen zur Verteidigung der Tegel-Politik des Senats anhob. Die Gedenkveranstaltung zu Humboldt war ihm wichtiger als jenes Thema, das Berlin zurzeit spaltet: Soll Tegel, wenn der BER jemals eröffnet, offen bleiben oder nicht? Und wie steht eigentlich der Regierende Bürgermeister dazu

Tegel ist für viele Berliner attraktiv. Aber nicht allein, weil die Wege so kurz sind, sondern weil der Flughafen etwas verkörpert, was in dieser Stadt an so vielen Stellen fehlt: Funktionstüchtigkeit. Daran mangelt es in der Verwaltung, bei Baustellen, der S-Bahn, dem W-Lan und vielem mehr. Tegel dagegen funktioniert und läuft unbeirrt, obwohl er zu klein, zu alt und auch wegen seiner Citylage zu gefährlich ist. Doch der Preis für einen Weiterbetrieb aus Bequemlichkeit heraus ist zu hoch. Denn es steht mehr als die Funktionsfähigkeit eines Flughafens auf dem Spiel: Es geht um das Vertrauen der Bürger in die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen.

Dieses Vertrauen ist seit Beginn des Dramas um den BER bereits massiv beschädigt worden. Der BER ist das größte politische Fiasko in der jüngsten Geschichte dieser Stadt, aber politische Verantwortung hat dafür bisher niemand übernommen. Im Gegenteil. Die Methode Abtauchen wurde perfektioniert und jetzt auf Tegel übertragen.

Der Beschluss, Tegel zu schließen, wurde damals nahezu parteiübergreifend getroffen. Natürlich ist keine politische Entscheidung in Stein gemeißelt, weil sich die Welt weiterdreht. Aber die Argumente für eine Schließung haben immer noch Bestand. Gerade im Norden Berlins haben viele Menschen auf die Verlässlichkeit der Politik gebaut. Im wahrsten Sinne: Sie haben Wohnungen und Häuser, Geschäfte – ihre Zukunftsentscheidungen darauf aufgebaut. Eine Abkehr von diesem Grundsatzbeschluss würde das Vertrauen vieler Menschen in die Politik dieser Stadt weiter erschüttern.

Wie es aussieht, nimmt Michael Müller das billigend in Kauf. Statt offensiv und leidenschaftlich seine Position gegen einen Weiterbetrieb Tegels zu vertreten, tut er nicht mehr als maximal nötig. Gerade so viel, um nicht als Umfaller dazustehen, und wenig genug, um Raum für Spekulationen zu lassen. Wie sehr steht er zur Tegel-Schließung? Genau weiß das niemand außer ihm. Die Angst, am Ende auf der Verliererseite zu stehen, ist bei Müller anscheinend groß.

Aber der Regierende ist da in bester Gesellschaft mit seinem ehemaligen Koalitionspartner der CDU. Auch der verabschiedet sich über die Hintertür der Mitgliederbefragung von seiner bisherigen Tegel-Politik. Nicht aus Überzeugung, sondern aus opportunistischen Gründen. Lieber umfallen als standhaft untergehen.

Ein Weiterbetrieb Tegels kann Berlin am Ende teuer zu stehen kommen. Weil der Sanierungsbedarf am Flughafen groß ist. Weil die Sicherheitslage nicht besser wird. Weil der Wohnraum fehlen wird. Und weil die politische Kultur in dieser Stadt Schaden nimmt. Das ist nicht dem Instrument Volksentscheid anzulasten, sondern dem politischen Umgang damit.

Die Suche nach dem Notausgang kann damit für Müller nicht zur Lösung, sondern zum tatsächlichen Problem werden.

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