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Politik: Déjà vu im hohen Norden

Schon 1987 war der SSW Zünglein an der Waage

Nicht zum ersten Mal ist die dänische Minderheitenpartei Zünglein an der Waage und wird unter Druck gesetzt – vor 18 Jahren war es ähnlich. Im Herbst 1987 war der kleine Südschleswigsche Wählerverband (SSW) in einer ganz ähnlichen Lage. Schleswig-Holstein hat gewählt, mitten hinein in eine am Tag vor der Wahl vom „Spiegel“ aufgedeckte Schmutzkampagne aus der Staatskanzlei des CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel gegen den SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm.

Das Wahlergebnis ist ein Patt. Die CDU kommt auf 33, die mit ihr verbündete FDP auf vier Sitze. Zusammen hätten sie 37 Sitze im neuen Landtag, einen mehr als die SPD mit 36 Sitzen. Aber da ist noch der SSW mit einem Sitz. Der könnte der CDU/FDP leicht an die Macht verhelfen. Aber der Abgeordnete Karl-Otto Meyer aus dem Örtchen Schafflund will nicht. Zum einen wegen der Machenschaften in der Staatskanzlei. Zum anderen weil der SSW traditionell der SPD sehr viel näher steht als der CDU.

Meyer empfiehlt der FDP, sie solle die Erfolglosigkeit ihrer Koalitionsabsichten mit der CDU einsehen und stattdessen der SPD für eine stabile Regierungsmehrheit zur Verfügung stehen. Er weiß, dass es noch genügend sozialliberal gesinntes Personal in der Nord-FDP gibt. Zum Beispiel den stellvertretenden Landesvorsitzenden Wolfgang Kubicki.

Doch die einer schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene verpflichtete FDP läßt Abweichlertum nicht zu. Die Verantwortung für das künftige Schicksal von Bund und Land wird auf den Schultern des armen Karl-Otto Meyer abgeladen. Agressiv hagelt es Liebes- und Drohgebärden. In München zweifelt CSU-Chef Franz Josef Strauß an der „Vollwertigkeit“ des Mandates für die dänische Minderheit.

Als der amtierende Ministerpräsident Barschel zurücktreten muss, verkündet Meyer, er werde nur Engholm von der SPD unterstützen – was diesem wegen des Patts aber nichts nützt. Auf dem SSW-Parteitag im Oktober, der wie üblich einem Familienausflug gleicht, trübt eine Bombendrohung die Stimmung. Wenig später gibt es sogar einen Toten: Uwe Barschel. Im Mai 1988 wird das Patt durch Neuwahlen aufgelöst. Die SPD gewinnt mit 20-prozentigem Vorspung vor der CDU.

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