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Politik: „Dem Kongo nicht zu helfen, wäre dumm“

Der Afrika- und Friedensmissionsexperte Winrich Kühne über den großen Gewinn und geringen Preis eines EU-Militäreinsatzes

Was geht der Kongo Europa an? Warum sollte die EU dorthin Soldaten schicken?

Der Kongo ist eines der größten Länder Afrikas und voller Rohstoffe. Nach langen Jahren des Bürgerkriegs besteht nun mit den ersten demokratischen Wahlen die Chance einer Stabilisierung. Das ist für die gesamte Region des südlichen Afrika von immenser strategischer Bedeutung. Afrika kann uns als Nachbarkontinent nicht egal sein, denn die Folgen von Kriegen bekommen auch wir zu spüren – etwa über anziehende Rohstoffpreise, die Destabilisierung weiterer Teile Afrikas, über Flüchtlingsströme und den Verlust von Millionen Euro von Entwicklungshilfe, die für Afrika bereits ausgegeben wurden. Es wäre dumm, in einer Phase des Friedensprozesses, wo es trotz immenser Schwierigkeiten vorangeht, die UN nicht zu unterstützen.

Was bedeutet die Aktion für die Außenpolitik der EU?

Sollten die Europäer den Kongo sich selbst überlassen, dann würden sie ihre Pläne für eine Europäische Außen- und Sicherheitspolitik Lügen strafen. Die EU möchte sich zu einem globalen Akteur bei der Krisenprävention entwickeln. Sie hat versprochen, ihrer Verantwortung für Afrika nachzukommen. Kein Afrikaner würde die EU mehr ernst nehmen, wenn sie das nicht tut. Bei dieser Mission geht es also auch ganz maßgeblich um die Glaubwürdigkeit europäischer Politik. Dazu muss natürlich die Mission selbst glaubwürdig sein, sie muss also im Hinblick auf Stärke und Zahl ihrer begrenzten Aufgabe gewachsen sein.

Was sollte der Militäreinsatz leisten?

Es geht entgegen weit verbreiteter Befürchtungen nicht um die Stabilisierung des gesamten Landes. Das ist Aufgabe der UN-Friedenstruppe Monuc. Jetzt geht es um eine Phase von einigen Monaten, in der Wahlen über die Machtverteilung entscheiden. Unter den wichtigen kongolesischen Politikern verfügen einige über Milizen. Verlierer könnten leicht in Versuchung geraten, das Wahlergebnis mit Gewalt zu korrigieren. Die Hauptstadt Kinshasa ist der Ort, wo die Machtfrage entschieden wird. Genau das sollen die EU-Soldaten verhindern, indem sie alleine durch ihre Präsenz eine abschreckende Wirkung entfalten und die zum Teil bereits aufgebauten neuen Sicherheitskräfte, insbesondere die Polizei, unterstützen. Diese, nicht die EU-Truppen, sollen an vorderster Front stehen. Milizen können die Bevölkerung terrorisieren, fürchten aber ausgebildete Soldaten. Deshalb könnten rund 1500 EU-Soldaten reichen, von denen zudem nur gut ein Drittel vor Ort sein müsste.

Ist die Bundeswehr, die keine Erfahrung in den Tropen und mit Kindersoldaten hat, im Kongo nicht überfordert?

Ich verstehe die Befürchtungen. Geplant ist aber eine Arbeitsteilung mit französischen Soldaten, die mit solchen Einsätzen mehr Erfahrung haben. Die Bundeswehr wird voraussichtlich nicht in der ersten Linie stehen. In der Hauptstadt Kinshasa sind die Kindersoldaten nicht das Problem – die findet man in den Unruheprovinzen im Osten des Landes. Eine gute, speziell auf die Bedingungen im Kongo ausgerichtete Vorbereitung und Führung ist aber zweifellos notwendig. Die Bundeswehr hat gelernt, in Afghanistan zu operieren. Warum sollte sie das nicht auch im Kongo lernen?

Muss man nicht fürchten, dass die EU-Truppe sich auf einen Konflikt einlässt, aus dem sie für Jahre oder Jahrzehnte gar nicht mehr herauskommt?

Sehr unwahrscheinlich. Es geht um eine eng begrenzte Phase von wenigen Monaten. Die EU-Mission „Artemis" zur Verhinderung des Völkermords im Nordosten des Kongo im Jahr 2003 war viel riskanter als der nun geplante Einsatz. Dort ging es darum, eine Situation erst zu stabilisieren. Jetzt geht es darum, eine stabile Situation stabil zu halten. Auch damals war die Mission schnell beendet.

Das Gespräch führte Hans Monath.

Winrich Kühne ist Direktor des Berliner Zentrums für Internationale Friedenseinsätze. Der Wissenschaftler forscht

und schreibt seit

vielen Jahren über Afrika.

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