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Politik: Demokraten ohne Geld

Experten kritisieren die Nachkriegspläne der Vereinigten Staaten als naiv – Öleinnahmen würden für Wiederaufbau des Landes nicht ausreichen

Nach der Rede an die Nation von US-Präsident George W. Bush ist endgültig klar, dass die USA zum Krieg entschlossen sind – mit oder ohne Alliierte. Aber über die amerikanischen Pläne für die Nachkriegszeit im Irak weiß die Welt noch immer wenig. Meist unter Berufung auf „anonyme Quellen“ oder „hochrangige Mitarbeiter des Außenministeriums“ berichtet die „New York Times“ regelmäßig über die angeblichen US-Pläne: 18-monatige US-Militärherrschaft, Militärtribunale, Sicherung der Integrität Iraks, heißt es da. Außerdem werde der Irak zur Musterdemokratie aufgebaut, mit Domino-Effekten in der gesamten Region.

All dies ist nach Ansicht von Fachleuten leichter gesagt als getan. Anthony Cordesman, Mitarbeiter am Center for Strategic and International Studies in Washington und ausgewiesener Waffenexperte, hat sehr grundsätzliche Bedenken gegen die bisherige amerikanische Herangehensweise. In einem Arbeitspapier vom 31. Dezember 2002 kritisiert er die „unkoordinierten“ Bemühungen, einen Nachkriegsplan zu entwerfen. Entscheidend sei, dass „wir uns unser Ausmaß der Unwissenheit“ eingestehen, sagt er an die Adresse der amerikanischen Politik-Planer. Die US-Regierung habe in den vergangenen 10 Jahren „versäumt", die „wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen im Irak zu untersuchen", daher gebe es nur unzureichende Daten und zu viele „Experten", die nie im Irak gewesen seien. Der möglichen Ablehnung einer amerikanischen Besatzung durch Teile der irakischen Bevölkerung könnten die USA nur begegnen, wenn sie partnerschaftliches Verhalten und „ein hohes Maß an Demut“ an den Tag legten.

Der Wiederaufbau des Irak dürfe nicht erst nach Kriegsende beginnen, sondern am Tag des Angriffs, fordert Cordesman. Die irakischen Medien und insbesondere das Informationsministerium müssten sofort kontrolliert werden. Die irakischen administrativen Strukturen mitsamt seinem Justizsystem müßten übernommen und „gesäubert“ werden. Es sei undenkbar, hier mit einem Neuaufbau „von Null“ zu beginnen. Gleiches gilt für die Armee: „Professionelle und kompetente“ Elemente sollten bestehen bleiben, aus dem Offizierskorps müßten Saddam-Getreue entfernt werden. Die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit seien „weitaus wichtiger“ als die Einführung der Demokratie. Zudem sei der Glaube an eine sofortige Demokratisierung „lächerlich". Cordesman widerspricht der häufig zitierten Idee, der Irak könne allein für den gesamten Wiederaufbau aus seinen Erdöleinkünften aufkommen. Niedrige Ölpreise und hohes Bevölkerungswachstum machten „Geld zu einem ernsten Problem". Der ehemalige Leutnant Scott Feil, der jetzt Planungen zum Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg für die US-Armee betreut, schätzt die Kosten für die Sicherheitskräfte im Nachkriegsirak auf etwa 16 Milliarden Dollar pro Jahr. Hinzu kämen eine Milliarde Wiederaufbauhilfe, wird Feil in der November-Ausgabe von „Atlantic Monthly“ zitiert. Anthony Cordesman warnt außerdem davor, dem neuen Regime in Bagdad die Schulden zu hinterlassen, die noch aus den Reparationszahlungen nach der Invasion Kuwaits sowie anderen offenen Rechnungen resultieren und sich schätzungsweise auf 200 bis 400 Milliarden Dollar belaufen. Dies würde den Irak „behindern, so wie wir einst die Weimarer Republik behindert haben.“

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