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Politik: „Demokratie muss wehrhaft sein“

Perus Präsident Toledo über Terror, soziale Unruhen – und Wall Street

Herr Präsident, Sie hatten schon vor gut einem Jahr geplant, nach Deutschland zu kommen. Damals haben Sie Ihren Besuch kurzfristig wegen der Unruhen in Ihrem Land absagen müssen. Konnten Sie Peru diesmal mit einem guten Gefühl verlassen?

Ich habe es sehr bedauert, dass ich absagen musste. Es gab Probleme bei der Privatisierung eines großen Elektrizitätsunternehmens. Die Sache ist aber geklärt. Leider wird es in Lateinamerika immer wieder Schwierigkeiten geben. Wir arbeiten aber daran, dass es zumindest weniger davon gibt. Lateinamerika muss es schaffen, die Vorgaben der Wall Street und die Bedürfnisse der Mainstreet miteinander zu verbinden.

Wall Street – Main Street: Sie meinen den Einfluss der internationalen Märkte auf die Lebensbedingungen der Peruaner?

Ja. Die Menschen auf der Straße fordern Arbeitsplätze, höhere Löhne und bessere Lebensbedingungen. Die Bevölkerung kann nicht 20 Jahre warten, bis es ein Wirtschaftswachstum gibt, das sich positiv auf ihren Alltag auswirkt. Die Wall Street hingegen fordert einen vernünftigen Umgang mit der Wirtschaft, eine niedrige Verschuldung, ein geringes Haushaltsdefizit. Oft führen diese Wege in ganz verschiedene Richtungen. Wenn wir nicht in der Lage sind, mit Hilfe der Industrieländer, die beiden Straßen zusammenzuführen, dann wird Lateinamerika niemals demokratisch regierbar.

An den blutigen Unruhen in Bolivien kann man das sehr gut ablesen …

Richtig. Auch in Ecuador, Kolumbien und Venezuela gibt es dieses grundsätzliche Problem. Als der Terrorismus in Peru aufkam, ist das Militär ganz klar und energisch vorgegangen. Der Terrorismus muss bekämpft werden, sonst hat die Demokratie keine Chance. Demokratie muss wehrhaft sein.

Sind die Demonstranten, die auf der Straße gegen ihre schlechte Lebenssituation protestieren, für Sie auch Terroristen?

Nein. Es gibt nur noch eine Gruppe von Terroristen, die sich auf einen bestimmten Ort in Peru konzentriert – Überreste der maoistischen Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie den Wählern viel versprochen. Protestieren die Menschen, weil Sie zu viel versprochen haben?

Ich komme aus einer armen Familie. Mein Vater war ein einfacher Bauer. Wir lebten unterhalb des Existenzminimums. Daher weiß ich: Wenn man ernten will, muss man vorher gesät haben. Man braucht also Geduld und muss ein Pflänzchen erst einmal gießen, damit es wächst. Man kann nicht erwarten, heute zu säen und morgen zu ernten. Ich habe Geduld mit der Wirtschaft Perus.

Sie haben kürzlich von einer „unheiligen Allianz“ zwischen Terrorismus und Drogenkriminalität gesprochen. Wie kann man diese Allianz bekämpfen?

Das ist in der Tat eine perverse Allianz. Gegen den Drogenhandel gehen wir militärisch vor. Die Regierung investiert aber auch in soziale Projekte, besonders dort, wo die Armut am größten ist. Das Problem betrifft aber nicht nur die lateinamerikanischen Länder, in denen Drogen produziert werden. Das ist auch eine große Herausforderung für die Länder, in denen die Drogen konsumiert werden. Deshalb sind wir alle für den Kampf verantwortlich und müssen Bündnisse schließen.

Das Gespräch führten Christian Böhme und Esther Kogelboom.

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