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Politik: Demonstranten in Ost-Timor: Hilfsorganisationen geht es um eigene Geschäfte, nicht um den Bedarf der Bevölkerung

Vor wenigen Tagen protestierten erstmals Hunderte von Menschen in Dili gegen die UN-Übergangsverwaltung in Ost-Timor. Die Demonstranten forderten niedrigere Preise, einen höheren Mindestlohn, Arbeit und Essen.

Vor wenigen Tagen protestierten erstmals Hunderte von Menschen in Dili gegen die UN-Übergangsverwaltung in Ost-Timor. Die Demonstranten forderten niedrigere Preise, einen höheren Mindestlohn, Arbeit und Essen. Der Protest wurde von der Sozialistischen Partei Ost-Timors organisiert. Sie wirft den internationalen Hilfsorganisationen vor, die Notsituation in Ost-Timor auszunutzen, um mit Lebensmitteln und anderen Alltagsgütern Geschäfte zu machen.

Sichtbares Zeichen der Spannungen sind zwei große Hotelschiffe, die im Hafen von Dili ankern, um dem Heer von ausländischen Mitarbeitern Unterkunft zu bieten. Nur ihnen ist der Zutritt erlaubt. Rund 11 000 Ausländer kamen seit September 1999 mit den Hilfsorganisationen in das von pro-indonesischen Milizen zerstörte Land.

Joaquin Fonseca vom Nationalen Widerstandsrat Ost-Timor (CNRT) befürchtet, dass eine duale Wirtschaft entsteht, bei der die Einheimischen auf der Verliererseite stünden. Nach der Zerstörung ihrer Infrastruktur hätten sie nicht die Ressourcen um konkurrenzfähig zu sein, sagte er. Am Hafen von Dili warten täglich zahllose Ost-Timorer auf der Suche nach Arbeit und gelegentlich machen sie ihrem Unmut in sporadischen Demonstrationen Luft.

Und selbst wer von der UN-Verwaltung angestellt wird, erhält als durchschnittlichen Tageslohn 50 000 Rupiah, das sind rund sieben Dollar. In den von geschäftstüchtigen Australiern eröffneten Restaurants verlangen diese für einen Hamburger acht Dollar. Nach einem Bericht der Weltbank haben sich die Preise in Ost-Timor allein zwischen August und Oktober vergangenen Jahres um 200 Prozent erhöht.

Zwar gibt es auf dem Markt in Dili ein wachsendes Angebot von Lebensmitteln wie Gemüse, Kartoffeln, Reis und Fisch zu kaufen, aber bei einer Arbeitslosenquote von fast 100 Prozent zirkuliert noch zu wenig Geld unter den Leuten, um den Handel zu beleben. Ausländer würden den Markt kaum in Anspruch nehmen und sich über ihre Organisationen versorgen. Ihre eigenen Geschäfte wickeln sie untereinander zudem in Dollar ab.

Ost-Timoresen werfen den internationalen Organisationen außerdem vor, am Bedarf der Bevölkerung vorbei ihre Geschäfte zu machen. So importieren Australier - angelockt von der ihnen gewährten Steuerfreiheit - Bier, Kühlschränke, Telefone und alles, was Ausländer zum Leben brauchen, in einem verwüsteten Land ohne funktionierende Versorgung. Hilfsorganisationen weisen jedoch daraufhin, dass sie weder für die schlechten Lebensbedingungen noch für den Luxushandel verantwortlich seien.

UNTAET-Sprecher Refik Hodzic betonte, dass UN-Verwaltung und CNRT die wirtschaftlichen Probleme der Inselhälfte gemeinsam lösen wollen. So habe UNTAET bereits Tausende Ost-Timoresen eingestellt, um Straßen und Gebäude zu reparieren und andere arbeitsintensive Projekte auszuführen. Für Hodzic ist es eine Frage der Zeit, dass sich die Situation verbessern werde.

Um den Wirtschaftkreislauf wieder anzukurbeln, wird demnächst eine so genannte Volksbank gegründet, die einer breiten Bevölkerungsschicht Zugang zu Krediten ermöglichen soll. Ziel ist es, die Abhängigkeit der Ost-Timoresen von den Hilfsorganisationen zu reduzieren und ihnen die Chance zu eröffnen, Geschäfte zu betreiben und Arbeitsplätze zu schaffen.

Unterdessen hat die Zahl der aus West-Timor nach Ost-Timor zurückkehrenden Flüchtlinge hat nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR) in den vergangenen Tagen wieder zugenommen. Rund 128 000 Ost-Timorer seien bis Anfang dieser Woche wieder in ihrer Heimat angekommen, teilte ein Sprecher des UNHCR in Genf mit.

Es hielten sich aber schätzungsweise weiterhin rund 130 000 Flüchtlinge in den Lagern in West-Timor auf. Der Grund für die Zunahme der Rückkehrerzahlen ist die Schwächung der pro-indonesischen Milizen in den Flüchtlingslagern. Außerdem habe sich die Informationslage verbessert.

Michael Streck

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