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Politik: Der amerikanische Taliban vor Gericht

Der Zirkus beginnt. Am Flughafen und vor dem Gefängnis haben die Reporter ihre Zeltquartiere aufgeschlagen.

Der Zirkus beginnt. Am Flughafen und vor dem Gefängnis haben die Reporter ihre Zeltquartiere aufgeschlagen. Rund um die Uhr wird die Ankunft des "amerikanischen Taliban" John Walker in den USA von Sondersendungen begleitet. Kahl geschoren, etwas abgemagert, aber doch in einem guten Zustand, wie sein Vater sagt, erschien der 20-Jährige vor einem Bundesgericht in Virginia. Zuvor hatte er zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren seine Eltern gesehen. Zwanzig Minuten lang dauerte die Begegnung. Die Anklageverlesung selbst war nach einer Viertelstunde vorbei. Anschließend wurde eine teils empörte, teils mitleidige Öffentlichkeit informiert: Kein Augenzwinkern blieb unkommentiert. Dieser Prozess wird eine Mischung aus jenem gegen O. J. Simpson und dem gegen das Politbüro.

Zum Thema Dokumentation: Kampf gegen Terror Fotos: Osama Bin Laden, Krieg in Afghanistan An John Walker scheiden sich die Geister. Für die einen ist er ein pubertierender, irregeleiteter Junge, der von extremen Islamisten einer Gehirnwäsche unterzogen wurde. Für die anderen ist er ein Verräter, der mutwillig mit den Terroristen um Osama bin Laden gemeinsame Sache gemacht hat. Seine Anwälte beschweren sich darüber, dass ihr Mandant 54 Tage lang ohne Rechtsbeistand war. Die Anklagevertreter erwidern, Walker habe darauf verzichtet. Nun muss er sich wegen Verschwörung zur Ermordung amerikanischer Staatsbürger verantworten. Darauf steht lebenslänglich. US-Justizminister John Ashcroft hat aber ausdrücklich nicht ausgeschlosssen, Walker auch wegen Hochverrats zu belangen, falls es neue Erkenntnisse geben sollte. Darauf steht die Todesstrafe.

Die Anklage stützt sich überwiegend auf Aussagen Walkers, die er nach seiner Festnahme in Verhören gemacht hat. Da sei er eingeschüchtert gewesen, kontert die Verteidigung. Und falls nicht: Gegen welches Gesetz hat Walker verstoßen? War es verboten, mit den Taliban gegen die Nordallianz zu kämpfen? Kann man ihm nachweisen, absichtlich zur Ermordung von Amerikanern beigetragen zu haben? Und haben die USA nicht Osama bin Laden im Krieg gegen die Sowjets erst stark gemacht und mit den Taliban bis zum 11. September sogar über eine Öl-Pipeline verhandelt? All das wird im Hauptverfahren, das wohl im Herbst beginnt, zur Sprache kommen.

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