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Politik: Der aufmerksame Dritte

London betrachtet mit Skepsis die Nähe zwischen Berlin und Paris

Die neue Nähe zwischen Berlin und Paris wird nirgends aufmerksamer verfolgt als in London – vor allem, wenn es um den Konvent zur Zukunft der Europäischen Union geht, der nun vor der Endrunde steht. Nach außen gibt man sich gelassen. „Das ist vor allem eine Frage der Präsentation in den britischen Medien“, sagte ein Diplomat. Nichts sieht für einen britischen Premier schlechter aus, als auf dem „Schlachtfeld“ der europäischen Politik als einsamer Verlierer ohne Partner dazustehen. Auch deshalb hatte ja der britische Regierungsvertreter im Konvent, Peter Hain, immer wieder so laut posaunt, „wir gewinnen den Kampf um die Ideen“.

Doch nun ist man sich nicht mehr so sicher. Seit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Jacques Chirac mit ihrem Pakt zur Agrarpolitik überraschten, das deutsch-französische Tandem im Konvent eine Initiative nach der anderen vorlegt und lang vorbereitete britische Positionen von der Verteidigungs- bis zur Steuerpolitik über den Haufen rennt, ist Tony Blairs Spielraum wieder enger. Jahre verbrachte er mit Charmeoffensiven, wollte mit „wechselnden Allianzen“ die Achse Berlin-Paris zum Dreieck ergänzen, mit den einen die Wirtschaftsreform vorantreiben und mit den anderen ein föderatives, kommissionsregiertes Europa verhindern. Stattdessen musste Blair ein schmeichlerisches Geburtstagsständchen in „Paris Match“ schreiben, um Stimmung in Paris zu machen.

Den Briten wird die Bündnisnähe zu den Amerikanern angekreidet, als mache das ihre Argumente von vornherein verdächtig – etwa bei ihrem Festhalten an der Nato als verteidigungspolitischem Fundament oder ihrem langjährigen Eintreten für die Türkei, von deren EU-Beitritt sie immensen außenpolitischen Gewinn erwarten. Auch der neu entbrannte Streit um den Euro auf der Insel – gerade wieder Stoff zündender Debatten zwischen den Hausmächten von Premier Blair und Schatzkanzler Brown – vergrößert die Distanz in der gegenseitigen Wahrnehmung. Blair hat in seiner Europarede vergangene Woche auf den neuen Wind reagiert. Er schlug einen betont kooperativen, gar europäisch-visionären Ton an und trat bewusst dem Eindruck entgegen, die Briten wollten im Konvent nur die Kommission schwächen. Aber deutlicher als je listete er auch die „roten Linien“ auf: Steuerharmonisierung, Verteidigungspolitik, die Folgen der Grundrechtecharta für das nationale Recht, Einfluss und Arbeitspraxis des Rates. „Nun müssen wir noch härter an den Argumenten arbeiten“, seufzen britische Diplomaten. Sie wissen, dass sie dem „privilegierten“ Tandem im Kern der EU nichts anderes entgegenzusetzen haben.

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