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Abwärtsgang. Nur wenige glauben, dass der Limburger Bischof Tebartz-van Elst mit seiner Reise nach Rom noch etwas bewirken kann.

© dpa

Fall Tebartz-van Elst: „Der Bischof hat sich nicht ans Kirchenrecht gehalten“

Im Interview äußert sich der Kirchen-Experte Thomas Schüller über das Verhalten von Franz-Peter Tebartz-van Elst, das Vermögen des Bistums – und den Schaden für die katholische Kirche.

Herr Schüller, wie ist es möglich, dass ein einzelner Bischof über so viel Geld verfügen kann?

Das kann er gar nicht – vorausgesetzt, er hält sich ans Kirchenrecht. Franz-Peter Tebartz-van Elst und sein Generalvikar haben sich augenscheinlich nicht ans Kirchenrecht gehalten.

Welche Kontrollinstanzen sieht das Kirchenrecht vor?

Im Bistum Limburg gibt es drei verschiedene Haushalte: den Kirchensteuerhaushalt, das Vermögen des Bischöflichen Stuhls und den sogenannten Vermögenshaushalt. Über die Verwendung dieser Gelder wachen vier Gremien: das Domkapitel, der Diözesankirchensteuerrat, der Vermögensverwaltungsrat des Bischöflichen Stuhls und der Diözesanvermögensverwaltungsrat. Doch bis auf den Kirchensteuerrat scheinen diese Gremien sukzessive entmachtet oder übergangen worden zu sein. Hierfür trägt auch Generalvikar Prälat Franz Kasper die Verantwortung. Tebartz-van Elst hat ihn noch vor seiner Ernennung zum Generalvikar zum persönlichen Beauftragten für den Bau des Bischofssitzes gemacht. Dadurch hat er das Domkapitel entmachtet und die erste Kontrollinstanz beseitigt.

Ein großer Teil der 31 Millionen Euro sollen aus dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls stammen. Wie groß ist das Vermögen?

Bei alten Bistümern ist es beträchtlich. Früher haben zum Beispiel viele Gläubige ihr Geld der Kirche vererbt. In Limburg ist das nicht so viel. Wie viel, darf ich wegen meiner weiter bestehenden Schweigepflicht nicht sagen.

Wofür ist dieses Vermögen des Bischöflichen Stuhls bestimmt?

Für Amtsausübung des Bischofs, etwa für die Bereitstellung von Räumlichkeiten. Es ist aber nicht für den privaten Gebrauch des Bischofs gedacht, dafür bekommt er ein Gehalt. Ein Konferenztisch für 25 000 Euro passt da sicherlich nicht rein. Es darf auch nicht für diözesane Bauten genommen werden. Genau das scheint mit dem Diözesanzentrum St. Nikolaus geschehen zu sein, das direkt mit dem Bischofshaus verbunden ist.

Wer kontrolliert die Ausgaben?

Der Vermögensverwaltungsrat des Bischöflichen Stuhls, der aus drei externen Personen besteht: dem früheren Chef der Hessischen Staatskanzlei Jochen Riebel (CDU), dem Vorstandssprecher der Josefs-Gesellschaft in Köln Theodor Michael Lucas und dem Bochumer Wirtschaftsprüfer Carl-Friedrich Leuschner. Bei ihnen muss der Bischof die Ausgaben beantragen. Doch das Gremium hat versagt, weil es weder Haushalte noch Jahresrechnungen zu sehen bekam und sich nicht dagegen gewehrt hat.

Was glauben Sie, warum?

Zumindest zwei der drei Mitglieder des Gremiums, die Tebartz-van Elst berufen hat, sind enge Vertraute von Generalvikar Franz Kaspar. Dieser hat bis 2003 das katholische Büro Hessen geleitet, die Interessenvertretung der katholischen Kirche bei der hessischen Landesregierung. Dort hatte er viel mit Jochen Riebel zu tun, der die Staatskanzlei leitete. Heute ist Kaspar Aufsichtsratsvorsitzender der Josefs-Gesellschaft in Köln. Deren Vorstandssprecher ist Theodor Michael Lucas. Eine solche wechselseitige Kontrollfunktion ist zu vermeiden, denn Interessenkollisionen sind nicht auszuschließen.

Die drei sagen, sie seien auf Unterlagen des Bischofs angewiesen gewesen. Den hätten sie nicht unter Druck setzen können.

Wenn es sich so verhält, hätten die drei Herren den Bau stoppen und die Freigabe weiterer Mittel unterbinden müssen. Als Ehrenmänner sollten sie Verantwortung übernehmen und zurücktreten.

Vermuten Sie, dass Geld noch aus anderen Quellen für den Bau geflossen ist?

Es könnte Geld aus dem dritten Haushalt genommen worden sein, aus dem sogenannten Vermögenshaushalt. Über diesen Haushalt ist in der Öffentlichkeit noch nicht gesprochen worden. Er umfasst Einnahmen aus Einrichtungen des Bistums und Kirchensteuergelder, die nicht ausgegeben wurden. Unter den Bischöfen Kempf und Kamphaus wurden hohe Rücklagen gebildet für schlechte Zeiten. Es wäre zu prüfen, ob ein Teil dieser Rücklagen in das Vermögen des Bischöflichen Stuhls transferiert wurde.

Gegen Bischof Tebartz-van Elst wurden mehrere Anzeigen wegen Untreue erstattet. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Eine Anzeige könnte daher rühren, dass das Bistum 2011 einen Anteil am Gemeinnützigen Siedlungswerk in Frankfurt für 6,8 Millionen Euro aus dem Bischöflichen Stuhl gekauft hat. Möglicherweise entspricht dieser Kaufpreis nicht dem tatsächlichen Wert dieses Anteils. Man nennt so etwas auch Schlechterstellungsgeschäft. Die Staatsanwaltschaft Limburg müsste sich die Untersuchungen der externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anschauen, die die Haushaltsführung von Bistum, Domkapitel und Bischöflichem Stuhl seit Jahren überprüft.

Was ärgert Sie am meisten?

Das Bistum Limburg war bekannt für seine solide Haushaltsführung und vorsichtige Ausgabenpolitik. Dazu gehörte auch, dass externe, unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Haushaltsführungen kontrollierten. Um diesen Ruf steht es nicht mehr gut. Der Schaden für die gesamte katholische Kirche ist groß, inzwischen über die Grenzen Deutschlands hinweg. Auch die Glaubwürdigkeit des Papstes ist gefährdet, wenn er diesem Treiben tatenlos zusehen sollte. Es ist wirklich unfassbar, was in Limburg passiert ist.

Das Gespräch führte Claudia Keller.

Thomas Schüller ist Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Uni Münster und war von 1997 bis 2001 persönlicher Referent des Limburger Altbischofs Franz Kamphaus.

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