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Politik: Der Bürger auf Halde

Zypries’ Pläne zur Tele-Überwachung treffen auf ungewöhnlich breiten Protest

Auf Widerspruch musste sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gefasst machen. Mit solchem Protest aber dürfte die nicht gerade konfliktscheue Juristin nicht gerechnet haben: 27 Verbände haben jetzt in einer gemeinsamen Erklärung ein Moratorium bei der Umsetzung der Telekommunikationsüberwachung – vor allem der sogenannten Vorratsdatenspeicherung – gefordert. Die Koalition gegen die kurz vor Weihnachten vorgelegten Pläne ist breit und fällt aus den herkömmlichen Rastern: Sie reicht vom Bundesverband der Zeitungsverleger, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union bei Verdi über die evangelische Konferenz für Telefonseelsorge, die Bürgerrechtsvereinigung Humanistische Union, den Chaos-Computer-Club bis zum Verband der deutschen Internetwirtschaft, Eco.

Mit dem Gesetzentwurf, der noch in diesem Frühjahr ins Kabinett soll, ist geplant, die Kommunikationsdaten eines jeden Bürgers unabhängig von einem Verdacht oder einem Ermittlungsverfahren auf Vorrat zu speichern. Die Überwachungsmaßnahme hatte als eines der zentralen Projekte im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nach dem 11. September 2001 noch der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) auf europäischer Ebene vorangetrieben. Ob Handy, Telefon oder Internet – gepeichert werden soll über den Zeitraum von sechs Monaten, wer wann mit wem wo und wie lange im Austausch stand.

Ausgenommen ist dabei allerdings der Inhalt der Kommunikation. Es geht nur um die Verbindungsdaten. Ein „nur“ indes wollen die Organisationen nicht gelten lassen. Allein die Speicherung der Verbindungsdaten höhle schon Anwalts-, Arzt- , Seelsorge oder andere Berufsgeheimnisse aus, begünstige die Wirtschaftsspionage und beschädige „die Pressefreiheit im Kern“, heißt es in der Erklärung. „Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in Deutschland halten wir für inakzeptabel“, schreiben die Organisatoren. „Ohne Verdacht einer Straftat sollen sensible Informationen über die sozialen Beziehungen, die Bewegungen und die individuelle Lebenssituation von 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern gesammelt werden“. Der Protest mündet in der Forderung an die Bundesregierung, wenigstens die Entscheidung über eine Klage abzuwarten, die Irland gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht hat.

Auf der EU-Richtlinie basiert auch der deutsche Entwurf. Darin wird den europäischen Regierungen eine Mindestspeicherfrist von sechs bis 24 Monaten vorgeschrieben. Gegen die europäische Richtlinie hatten insbesondere Kommunikationsunternehmen jahrelang Front gemacht. Denn vom Beginn der Debatte an war abzusehen gewesen, dass die zusätzlichen Kosten für die Speicherung großer Datenmengen – von dreistelligen Millionenbeträgen ist die Rede – die Unternehmen würden tragen müssen.

Der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung ist umstritten. Während Sicherheitsexperten darauf verweisen, dass im Falle einer terroristischen Bedrohung Kontaktpersonen schnell erkannt und damit auch akute Gefahren abgewendet werden könnten, verweisen Skeptiker darauf, dass die Datenflut eine zielsichere Bearbeitung unmöglich mache.

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