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Darf sie nach Deutschland? Julia Timoschenko.

© dpa

Der Fall Julia Timoschenko: Janukowitsch spielt auf Zeit

Noch immer hat sich der ukrainische Präsident nicht durchringen können, Julia Timoschenko die Ausreise zu ermöglichen. Zweifelhaft bleibt auch, ob ein Hafturlaub Brüssel und Berlin zufriedenstellen würde.

Nicht weniger als 24 Mal waren Pat Cox und Alexander Kwasniewski in den letzten 14 Monaten wegen Julia Timoschenko in der Ukraine. Doch auch der bisher letzte Besuch endete in dieser Woche ohne greifbares Ergebnis. Anfang Oktober sah es schon einmal kurzzeitig nach einem Durchbruch aus. Die frühere Regierungschefin Timoschenko stimmte erstmals ihrer Ausreise zur medizinischen Behandlung in Deutschland zu, Cox und Kwasniewski legten offiziell ein Gnadengesuch ein. Doch seitdem passierte nichts. „Der Präsident spielt auf Zeit, kaum einer versteht ihn noch“, sagt der Abgeordnete Ostap Senerak.

Immerhin sei es gut, dass die EU zwei besonders trinkfeste Sonderkommissare ausgewählt habe, heißt es in Diplomatenkreisen. Verbunden ist damit die Hoffnung, dass das Duo in den letzten harten Verhandlungsnächten doch noch einen Kompromiss zustande bringt. Optimisten erwarten, dass Janukowitsch die inhaftierte Ex-Premierministerin Mitte November entweder begnadigt oder zumindest in Hafturlaub schicken wird. Dann wird nämlich der gerade mangels Fortschritten um einen Monat verschobene Abschlussbericht der EU-Sonderkommission Cox-Kwasniewski fällig.

Hat der Präsident Angst vor ihr?

Ein Hafturlaub würde eine medizinische Behandlung ihres schweren Rückenleidens in der Berliner Charité ermöglichen, Timoschenko aber wohl von einer Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen von 2015 ausschließen. Janukowitsch will sich dann für eine zweite Amtszeit bestätigen lassen. Die 52-jährige Oppositionsführerin wäre seine gefährlichste Gegenkandidatin. Seit der „orangenen Revolution“ betrachtet Janukowitsch Timoschenko als seine Erzfeindin. In Kiew heißt es, Janukowitsch habe eine schwer erklärbare, psychologisch bedingte Angst vor der Frau.

Zweifelhaft ist, ob ein Hafturlaub Brüssel und Berlin zufriedenstellen würde. Timoschenko wäre demnach verpflichtet, sich nach der medizinischen Behandlung wieder zurück ins Frauengefängnis von Charkiw zu begeben. Sie sitzt seit Herbst 2011 eine siebenjährige Haftstrafe wegen angeblichen Amtsmissbrauchs ab. Mit der von der EU geforderten Abkehr von der „selektiven Justiz“ hätte diese Lösung indes nichts zu tun.

Der Weg über den Hafturlaub für eine medizinische Behandlung im Ausland muss zuerst vom Parlament gesetzlich geebnet werden. Janukowitschs Partei der Regionen der Ukraine hält zwar die absolute Mehrheit, doch fehlt ihr das entscheidende Wort des Präsidenten. Denn wie er befiehlt, stimmen seine Leute ab. Die demokratische Opposition hat Janukowitsch bereits die Unterstützung für ein im Schnellverfahren durchgepauktes Sondergesetz für Timoschenko zugesichert.

„Die Opposition ist kompromissbereit, die EU auch, aber der Präsident zaudert“, sagte der Oppositionspolitiker Ostap Senerak dem Tagesspiegel. Drei Gesetzesprojekte liegen derzeit im Parlament. Nur eines davon sei indes auch für Julia Timoschenko und die drei demokratischen Oppositionsparteien akzeptabel, erläutert Senerak. „Wir müssen einen Kompromiss erarbeiten, bei dem alle Seiten das Gesicht wahren können, damit am Ende eine Win-Win-Situation entsteht“, sagt er.

Eine Begnadigung schließen Experten aus

Eine Begnadigung, um die auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck Janukowitsch gebeten hat, schließt Senerak aus. Janukowitsch hätte Timoschenko schon lange begnadigen können, denn nur der Staatspräsident habe das Recht dazu. Der Gnadenakt hätte der Ukraine monatelange Verhandlungen erspart. Stattdessen habe Janukowitsch in Brüssel leere Versprechungen abgegeben und zu Hause nichts für eine Lösung vorbereitet, klagt Senerak. „Nun soll plötzlich das Fahrrad nochmals ganz anders und ganz neu erfunden werden – und das unter enormem Zeitdruck“, sagt er. „Der starke Mann zaudert, das Land steht still“, erklärt der Abgeordnete der Timoschenko-Partei Batkiwtschina („Vaterland“).

Immerhin soll in der kommenden Woche in der Werchowna Rada, dem ukrainischen Einkammerparlament, über die drei Timoschenko-Gesetze abgestimmt werden. Ob Janukowitsch das siegreiche Projekt dann auch wirklich unterschreibt, wie er kürzlich halbherzig versprochen hat, steht indes in den Sternen.

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