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Politik: Der Feuerwehrmann aus Paris

Sarkozy musste als EU-Präsident gleich mehrere Krisen meistern – nicht immer war er erfolgreich

Berlin - Nicolas Sarkozy kann sich bei der Europäischen Union bedanken. Während der EU-Präsidentschaft im vergangenen Halbjahr stieg seine Popularität in Frankreich um mehr als zehn Prozentpunkte. Nach den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts BVA und der Zeitschrift „L’Express“ hatten im Juli, als Sarkozy die EU-Präsidentschaft übernahm, nur 35 Prozent eine positive Meinung von ihrem Staatschef. Im vergangenen Monat waren es immerhin 48 Prozent.

Sarkozy hat die Bühne, die die EU ihm bot, genutzt. Aber wie groß ist der Nutzen, den die EU aus dem teils hyperaktiven Politikstil des französischen Präsidenten gezogen hat? Die Antwort fällt am Ende des französischen EU-Vorsitzes zwiespältig aus. Georgien-Krieg, Finanz- und Wirtschaftskrise, Irland-Debakel, Klimapaket – angesichts der schwierigen Aufgaben, die Paris forderten wie selten eine EU-Präsidentschaft zuvor, werden Licht und Schatten bei Sarkozy deutlich.

Frankreichs EU-Vorsitz dauerte gerade einen Monat, da wurde im August der Georgien-Krieg zur Bewährungsprobe für Paris – und für den Mann aus dem Elysée-Palast selbst. Die Rolle als Krisenhelfer schien für „Speedy Sarko“ wie geschaffen. Dank einer diplomatischen Offensive zwischen Paris, Moskau und Tiflis gelang es ihm eine knappe Woche nach dem Beginn der Feindseligkeiten, einen Friedensplan zwischen Russland und Georgien auszuhandeln. „Allein das Ende der Aggression in Georgien war durchaus ein kurzfristiger Erfolg für die EU und Frankreich“, sagt Martin Koopmann, Koordinator für Europapolitik bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.

„Was wäre geschehen, wenn es unter tschechischer EU-Präsidentschaft zu dem Georgien-Konflikt gekommen wäre?“, fragt Koopmann mit Blick auf den Anfang Januar beginnenden Prager EU-Vorsitz. Tschechien wäre nach seiner Ansicht in der Krise härter gegenüber Russland aufgetreten, folglich wäre auch der Verhandlungserfolg „unklarer“ gewesen. Allerdings räumt der EU-Experte trotz Sarkozys Diplomatie-Erfolg auch ein, dass die EU ein Problem mit der nachhaltigen Umsetzung des Abkommens hat. Russlands Truppen haben sich noch immer nicht vollständig auf die Positionen vor dem Konflikt zurückgezogen.

Auch angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise gelang es Sarkozy, sich und die EU als Hauptakteur ins Rampenlicht zu stellen. Zur Rettung der Finanzbranche berief der französische Präsident mehrere Krisentreffen außerhalb des regulären EU-Fahrplans ein. Antonio Missiroli, Forschungsdirektor beim Brüsseler Think Tank „European Policy Centre“, sieht Sarkozys politisches Reaktionsvermögen angesichts der heraufziehenden Rezession insgesamt positiv. Frankreichs Präsident habe Tatkraft, Energie und Pragmatismus in den Dienst der EU gestellt, lobt Missiroli. So einigten sich die 15 Staaten der Eurogruppe am 12. Oktober bei einem Dringlichkeitstreffen in Paris auf ein Rettungspaket für angeschlagene Banken, das wenige Tage später zur Blaupause für die gesamte EU wurde.

Allerdings hatten Sarkozys Initiativen nicht immer durchschlagenden Erfolg. Mit seinem Vorstoß, als Präsident der Eurozone seinen EU-Vorsitz quasi über die Jahreswende hinaus zu verlängern, verärgerte er nicht nur Deutschland und Luxemburg. Sein Versuch, von den EU-Partnern – vor allem Deutschland – mehr Geld für das EU-Konjunkturpaket zu bekommen, schlug fehl. Nach den Worten des EU-Experten Missiroli müsse man Sarkozy allerdings zugute halten, dass es ihm überhaupt gelang, die EU-Staaten zu einer Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitik zu bringen. Den europäischen Partnern blieb freilich auch nicht verborgen, dass Sarkozy dabei gelegentlich eine rein französische Agenda verfolgte – etwa beim großzügigen Umgang mit den Regeln des EU-Stabilitätspakts und der EU-Beihilfen.

In puncto EU-Klimapaket – einem weiteren Brocken für die französische EU-Präsidentschaft – hat sich Sarkozy im Ringen unter den 27 europäischen Mitgliedstaaten um die Reduzierung der CO2-Emissionen nach Missirolis Ansicht eher auf die Schiedsrichterrolle beschränkt. Das Ergebnis kann sich am Ende sehen lassen. Dem allgegenwärtigen Präsidenten gelang es beim EU-Gipfel im Dezember, ein Gesetzespaket zum Klimaschutz zu schnüren – keine Selbstverständlichkeit, denn die Wirtschaftskrise gab Zauderern wie Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi Auftrieb, die das ganze Paket am liebsten verschoben hätten. Außerdem schwor Sarkozy beim Gipfel die Staats- und Regierungschefs auch noch auf einen Kompromiss ein, der nach dem irischen „Nein“ zum Lissabon-Vertrag einen Ausweg aus der Vertragskrise weisen soll. Auch künftig soll jedes Mitgliedsland mit einem eigenen Kommissar in Brüssel vertreten sein.

Eines ist sicher: Bei allen Abstrichen, die man im Detail machen kann, hat Sarkozy im vergangenen Halbjahr die internationale Handlungsfähigkeit der EU unter Beweis gestellt. Und nebenbei hat er im Streit um die richtige Konjunkturpolitik mit seiner Spitze gegen Deutschland („Frankreich handelt, Deutschland denkt darüber nach“) auch eines der Bonmots des Jahres geliefert – eines, über das Kanzlerin Angela Merkel sicher nicht glücklich war.

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