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Wikileaksgründer Julian Assange: Der globale Kachelmann

Hat er vergewaltigt oder hat er nicht? Was in Deutschland im Fall Kachelmann verhandelt wird, ist international mit dem Namen Julian Assange verbunden. Über die Vorwürfe gegen den Wikileaks-Gründer und die Rechtslage in Schweden.

Hat er vergewaltigt oder hat er nicht? Es könnte alles nur eine Verschwörung sein, der Mann ist schließlich prominent, und so formieren sich die, die ihn angreifen, und die, die ihn verteidigen. Dabei geschah die Tat, wenn sie geschah, ohne weitere Zeugen, es gab nur Opfer und Täter, und es bleibt offen, ob sie sich jemals klären lässt. Aussage steht gegen Aussage.

In Deutschland ist diese Konstellation derzeit bekannt, sie steht im Mannheimer Verfahren gegen Jörg Kachelmann zur Entscheidung an. Der globale Kachelmannfall verbindet sich mit dem Namen Julian Assange, dem Gründer der Plattform Wikileaks, der die Weltmacht USA mit zehntausenden diplomatischer Noten kompromittierte. Schwedens Justiz wirft Assange sexuelle Nötigung und Vergewaltigung vor und will von Großbritannien dessen Auslieferung. Zugleich erforschen die USA, welches Strafgesetz sie gegen ihn in Stellung bringen. Auch sie wollen ihn vor Gericht sehen.

Ist Assange Opfer oder Täter? Schweden hat, wie viele Länder in Europa und auch Deutschland, in den vergangenen Jahren sein Sexualstrafrecht verschärft, Kapitel sechs im „Brottsbalk“ genannten Strafgesetz. Aus sexueller Belästigung ist damit teilweise Vergewaltigung geworden, die Zahl der angezeigten Fälle stieg dramatisch. Schwedens Sexualstrafrecht gilt als sehr hart, in den Medien wird teilweise davon gesprochen, als Vergewaltigung gelte auch, wenn sich die Frau nach dem Sex unwohl fühle oder überrumpelt.

Tatsächlich sind die Unterschiede zum deutschen Recht so gravierend nicht. Ohne eine Form von Zwang, die Widerstand brechen, überwinden oder gar nicht erst entstehen lassen soll („olaga tvång“), geht es nicht. Das Opfer muss zum Dulden der Handlungen genötigt werden. Möglich wäre das auch, wenn der Sex zwar einvernehmlich begann, dann vom Opfer aber mit einem Mal nicht mehr gewollt wird. Der „Brottsbalk“ stellt auch das Ausnutzen in hilflosen Situationen unter Strafe, etwa wenn das Opfer schläft oder bewusstlos ist. Das schwedische Recht kennt, wie das deutsche, einen „minder schweren Fall“ und bestraft die Tat mit Haft zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.

Der Nötigungscharakter kennzeichnet die Vergewaltigungen auch im deutschen Recht, auf den Vollzug des Beischlafs kommt es dabei nicht an, sondern auf den Zwang zu erniedrigenden sexuellen Handlungen, sei es aktiv oder passiv. Dann droht das Gesetz verschiedene Mindeststrafen an, wobei für den „besonders schweren Fall“ im Minimum zwei Jahre vorgesehen sind, etwa beim „Eindringen in den Körper“. Zeitlich sind Freiheitsstrafen in Deutschland auf 15 Jahre begrenzt, von daher lässt sich sogar behaupten, das deutsche Recht sei schärfer.

Assanges angebliche Opfer sind zwei Schwedinnen, die Kontakte sollen freundschaftlich begonnen haben. Entscheidend werden daher auch für ihn nicht die Strafvorschriften sein, sondern die Aussagen und die weiteren Ermittlungsbefunde. Es könnte ein „Kachelmann-Verfahren“ mit offenem Ausgang werden. Steckte hinter allem ein US-amerikanisches Geheimdienstkomplott, eine professionelle Sexfalle, gäbe es vermutlich weniger Unklarheiten als hier.

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