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Politik: „Der Konflikt wird politisch ausgenutzt“

Staatsministerin Müller über den Bürgerkrieg in Kongo, eigenmächtige Kriegsherren und eine UN-Friedenstruppe

Sie bereisen derzeit Uganda, Ruanda und Kongo – wo offenbar Zehntausende getötet wurden. Für viele Europäer ist der Konflikt in Kongo rätselhaft, können Sie ihn erklären?

Es ist in der Tat ein sehr komplizierter und dramatischer Konflikt. Die Stadt Bunia in der Provinz Ituri im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo hatte bis vor kurzem 250 000 Einwohner. Jetzt sind es noch 20 000. Die meisten sind geflohen oder verstecken sich in den Wäldern, viele wurden ermordet. Aber Ituri ist nur die Spitze des Eisbergs. Im KongoKonflikt sind seit 1996 bereits über drei Millionen Menschen Opfer geworden – weithin unbemerkt von der Öffentlichkeit.

Stammeskriege in Afrika, ist das nicht eine endlose Spirale des Hasses und des Mordens?

Ethnische Fragen spielen eine Rolle. Sie erhalten aber erst ihre Brisanz, indem sie politisch instrumentalisiert werden. Der aktuelle Konflikt zwisc hen Hema und Lendu ist vor allem deshalb so dramatisch, weil die Nachbarn Ruanda und Uganda mit den kämpfenden Milizen verbündet sind und so im Verdacht stehen, einen Stellvertreterkrieg um die Ausbeutung von Rohstoffen im Osten des Kongo auszutragen. Schon diese regionale Verflechtung zeigt, dass nur eine politische Gesamtlösung für die Region Erfolg verspricht. In Kinshasa, der Hauptstadt Kongos, muss zügig eine Übergangsregierung unter Beteiligung aller vier Konfliktparteien gebildet werden. Das habe ich gegenüber allen Gesprächspartnern deutlich gemacht. Vergangenes Jahr in Pretoria wurde genau dies beschlossen, aber diese Lösung wird nun blockiert. Die gegenwärtige Regierung in Kinshasa hat keine Kontrolle über die Kriegsherren.

Aber eine neue Übergangsregierung könnte das Morden stoppen?

Sie wäre eine wichtige Voraussetzung. Aber natürlich ist auch die internationale Völkergem einschaft gefragt. Sie muss rasch handeln und für Bunia eine Friedenstruppe mit einem robusten Mandat beschließen.

Eben dies tut New York gerade!

Das ist sehr zu begrüßen.

Würden sich deutsche Soldaten beteiligen?

Da Deutschland bereits zweitgrößter Truppensteller für Friedensoperationen ist, ist eine weitere Beteiligung sehr schwierig. Wir werden diese Fragen nach meiner Rückkehr beraten. In jedem Fall müssen wir humanitär helfen. Für Nothilfe haben wir dieses Jahr bereits 1,4 Millionen Euro bereitgestellt.

In ganz Kongo sind schon tausende Blauhelme. Warum schreiten die nicht ein?

Diesen UN-Truppen wird oft der falsche Vorwurf gemacht, sie sähen tatenlos zu, wie geplün dert, verstümmelt und getötet wird. Diese Einheiten haben einen anderen Auftrag. Sie sollen nicht die Konfliktparteien trennen, sondern vielmehr bei der Entwaffnung und Demobilisierung von ausländischen Einheiten – auf freiwilliger Basis – helfen. Jetzt geht es allerdings um etwas ganz anderes: effektiven Schutz für die Zivilbevölkerung in Bunia.

Afrika selbst schafft das nicht?

Das Ziel der neu gegründeten Afrikanischen Union ist genau das: den Kontinent künftig in die Lage zu versetze n, seine Konflikte selbst zu schlichten. Südafrikas Präsident Mbeki spielt beispielsweise eine sehr wichtige Vermittlerrolle. Schon jetzt ist Afrika also sehr bemüht. Aber uns muss klar sein: Bis die Union fähig ist, Konflikte selbst zu lösen, wird es allerdings noch etwas dauern.

Im Kongo insgesamt – was muss geschehen?

Ich fordere hier alle politisch Verantwortlichen auf, die Interimsregierung zu bilden, demokratische Institutionen zu schaffen und die in zwei Jahren vorgesehenen Wahlen durchzuführen. Denn klar ist: Die internationale Eingreiftruppe in Bunia kann den politischen Prozess nicht ersetzen. Aber nur der wird letztlich zu einer Befriedung des Landes führen. Nach dem Gespräch mit Präsident Kabila habe ich den Eindruck, dass genügend politischer Wille vorhanden ist.

Mit Kerstin Müller sprach Robert von Rimscha

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