zum Hauptinhalt

Politik: Der Krieg zwischen "Kohlianern" und "Aufklärern" ist längst noch nicht entschieden (Analyse)

Nein, sie sind nicht miteinander fertig. Nicht Helmut Kohl mit der CDU, nicht die CDU mit Helmut Kohl.

Von Robert Birnbaum

Nein, sie sind nicht miteinander fertig. Nicht Helmut Kohl mit der CDU, nicht die CDU mit Helmut Kohl. Wer sich der - wahlweise - Hoffnung oder Befürchtung hingegeben haben sollte, der erzwungene Abgang als Ehrenvorsitzender sei ein Schlußpunkt im Verhältnis zwischen dem Mann, der einst die CDU war, und denen, die er als Nachfolger übrig gelassen hat, der sieht sich rasch getäuscht. Die Wochenenddebatte in der Partei über die Frage, ob der Ex-Ehrenvorsitzende vor den Kadi gehört, belegt zur Genüge: Das Problem bleibt virulent. Es bleibt heikel. Und Kohl ist zu allem fähig, sogar zur Wahrheit.

Die Debatte selbst ist eine jener Politdiskussionen, die sich rasch von ihren sachlichen Bezugspunkten lösen und ein Eigenleben zu entfalten beginnen. Der sachlichen Bezugspunkte gibt es zwei. Zum einen wird sich - nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann - der CDU in der Tat die Frage stellen, ob sie ihren früheren Vorsitzenden nicht in Regress nehmen muss. Der politische Verein CDU ist seinen Mitgliedern Rechenschaft darüber schuldig, wie er mit ihren Beiträgen umgeht. Der Vorstand wird wohl, will er nicht selbst juristisch angreifbar werden, einen förmlichen Beschluss gerade auch dann herbeiführen müssen, wenn er sich nicht bei Helmut Kohl für angerichteten Schaden schadlos halten möchte. Diesen Beschluss müsste ein Parteitag fällen. Womit schon gesagt ist, wie er ausgeht. Denn da muss noch sehr viel geschehen, bevor der christdemokratische Funktionärsmittelbau einen Helmut Kohl vor Gericht zitiert sehen will.

Den zweiten sachlichen Bezugspunkt bildet die Frage, wie die CDU mit Kohls hartnäckigem Schweigen umgeht. Die Fraktion der "Aufklärer" kann es nicht gut dabei bewenden lassen, dieses Schweigen als Naturphänomen hinzunehmen, will sie nicht ihren Etappensieg in der vorigen Woche gefährden. Denn die "Kohlianer" sind zwar leiser und weniger geworden, aber keineswegs verschwunden. Dass auch sie bis auf wenige Ausnahmen den Beschluss mitgetragen haben, Helmut Kohl um den Verzicht auf Wahrnehmung seines Ehrenvorsitzes zu bitten, dürfte weniger der Einsicht in die Notwendigkeit als der Angst vor den Konsequenzen geschuldet sein. Denn das Rücktrittsangebot von Parteichef Wolfgang Schäuble enthielt ja nicht zuletzt die Drohung, die Diadochenkämpfe voll ausbrechen zu lassen. Und dieses Risiko scheuen derzeit noch alle, die insgeheim darauf hoffen, Parteichef Wolfgang Schäuble nach dem Ende der Affäre zu beerben.

Welches Lager am Ende die Oberhand behält, ist aber offen. Die "Kohlianer" haben es insofern einfacher, als sie nicht gezwungen sind, Kohl zu verteidigen. Das macht der schon selbst. Sie können sich darauf beschränken, handwerkliche Schnitzer der Aufklärerei zu bemäkeln und so jene an der Basis immer noch verbreitete Stimmung zu ihrem Verbündeten zu machen, dass nicht Kohl das Problem sei, sondern ein unterstellter Übereifer der "Aufklärer". Von da ist es nicht mehr weit zu dem - nie ausgesprochenen, aber häufig insinuierten - Vorwurf, es gehe in Wahrheit nicht um die Wahrheit, sondern um einen kleinmütigen Rachefeldzug gegen den Alten.

Die "Aufklärer" sind in einer viel schwierigeren Lage. Sie brauchen Erfolge. Das verleitet dazu, tatsächlich in Übereifer zu verfallen. Denn die Möglichkeiten der Partei zur Klärung der offenen Fragen sind im Grunde kläglich. Sie kann, wie geschehen, ihre Bücher durchforsten lassen; sie kann die mutmaßlichen Mitwisser höflich um Mitarbeit bitten. Geben die Bücher ihre Geheimnisse nicht preis und die Mitwisser auch nicht, ist das Instrumentarium schon ziemlich erschöpft.

Den "Aufklärern" bleiben nur zwei Wege. Sie können versuchen den Druck mit Hilfe von außen zu erhöhen. Das führt zur Klage gegen Kohls Helfershelfer, in letzter Konsequenz gegen ihn selbst. Oder sie können versuchen den Druck von innen heraus zu steigern. Solange Helmut Kohl sich eins mit der Basis glaubt, wird er jeden Beschluss dieser Parteispitze missachten. Erst wenn sich die Basis abwenden würde, hätte er verloren. Der wahre Machtkampf hat in der CDU gerade erst begonnen: der Kampf um die Köpfe und Herzen der Mitglieder.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false