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Politik: Der Mann, der sich was traut

IST EICHEL AM ENDE?

Von Antje Sirleschtov

Der Mann hat Nerven! Lässt sich monatelang als Pfennigfuchser vorführen, verliert den Streit mit der Sozialministerin um die Tabaksteuererhöhung, weil ihn der Kanzler im Stich lässt, und blamiert sich jetzt auch noch in aller Öffentlichkeit mit 42 Milliarden Euro Rekordneuschulden bis auf die Knochen. Warum, das möchte man von einem solchen Minister wirklich gerne wissen, tut der sich das an? Die Glaubwürdigkeit des SparHans Eichel ist lange dahin, und politisch durchsetzen kann er sich nicht mal mehr in den eigenen Reihen. Weshalb tritt dieser Finanzminister nicht zurück?

Aber was käme dann? Um darauf eine Antwort zu finden, muss man ein Stückchen zurücksehen, muss sich erinnern, wie diese rot-grüne Bundesregierung vor fünf Jahren antrat, das Land zu regieren, und welche Rolle Hans Eichel dabei zukam. Die Probleme waren allesamt schon damals bekannt. Nur dass sie niemand sehen mochte, weil die Wirtschaft boomte und jeder glauben wollte, die Börse mache aus arbeitslosen Bauarbeitern im Handumdrehen Millionäre. Damals träumten die Sozialdemokraten noch, ihr historischer Auftrag erfülle sich, wenn sie nur Vermögen- und Erbschaftsteuer für Reiche erhöhten. Mehrt die Umverteilungsmasse, hieß es, damit der Staat für den Fortbestand der sozialen Gerechtigkeit sorgen kann. Abweichler beschimpfte man noch nicht. Sie bestimmten den Regierungskurs.

Man darf sich getrost vorstellen, dass wir in diesem Jahr 60 oder sogar 65 und nicht 42 Milliarden Euro neue Schulden hätten, wenn nicht 1999 dieser etwas dröge Hans Eichel aus Hessen seine Sparschweine ausgepackt hätte. Bunte Pappschweinchen nur, die so oft belächelt wurden, und die doch mehr als nur ein PR-Gag waren. Denn sie standen für den Beginn eines neuen Staatsverständnisses. Für die ökonomischen Grenzen von Wirtschaftspolitik, für die natürlichen Grenzen von Sozialpolitik und für den sparsamen Haushälter Eichel, dessen Popularität aus seiner Ernsthaftigkeit erwuchs.

Und irgendwie ist es auch heute noch so. Weil die rot-grüne Reformpolitik auch nach der Agenda 2010 noch immer hin und her mäandert. Zwischen tollkühnem Mut zur Durchsetzung schmerzhafter Veränderungen und dem schlechten Gewissen, irgendjemandem damit wehzutun. Und wieder ist es dieser Hans Eichel, der sich über sein trockenes Zahlenwerk beugt und darauf hinweist, wie wirkungslos all die ach so großen Agenda- Reformen letztlich sein werden, wenn sie weiter nur an der Oberfläche kratzen. Denn es ist so, wie Eichel sagt: Wenn die Rentenlöcher auch in Zukunft über den Haushalt gestopft werden, dann kommen nur immer noch mehr Schulden dazu. Und Nullrunden und Steuererhöhungen folgen unweigerlich.

Mag sein, dass Eichel auch am nächsten Sonntag, wenn es am Kanzlertisch um zwei Milliarden Euro Rentenzuschuss für nächstes Jahr geht, wieder zu hören bekommt, „Sei jetzt still, Hans“. Denn es wird viele gute Gründe geben, ihm diesen Sparbeitrag zu verwehren. Wie voriges Jahr übrigens, als er die Eigenheimzulage geißelte und alle den Kopf schüttelten. Eine Subvention, für die heute niemand mehr ernsthaft streiten will. Soll der Mann aber zurücktreten, weil er sich traut, heute Reformen anzumahnen, zu denen sich der Rest seiner Partei erst morgen bekennen will?

Seinen Haushalt, den kennt Eichel wahrlich besser als irgendwer. Und er weiß genau, an welchen Stellen Reformen Not tun, um die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Doch reicht dieses Wissen für einen Finanzminister in diesen Zeiten aus? Wenn Deutschland je wieder die europäischen Stabilitätskriterien einhalten und am Ziel der Nullverschuldung festhalten will, dann genügt es nicht, einen Politiker an der Spitze des Finanzressorts zu haben, der bissig seinen Etat verteidigt, dienstbeflissen für den Kanzler die Schulden-Verantwortung übernimmt und auf Steuerreform- Konzepte der Opposition wartet. Ein für Investoren und Steuerzahler attraktives Land kann sich auf Dauer auch keine Regierung leisten, die die dringend benötigten großen Reformen allein der Initiative eines Ministers überlässt. So eine Regierung, die träte in der Tat besser heute als morgen zurück.

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