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Politik: Der nächste Feind

Die USA haben auch Syrien als Schurkenstaat im Visier – doch die Regierung in Damaskus sieht sich nicht bedroht

Syrien fährt eine andere Strategie als die meisten anderen arabischen Länder. Während die Regierungen von Ländern wie Jordanien oder die Golfstaaten einen Eiertanz aufführen, um ihre Unterstützung der USA zu vertuschen, stellt sich das Regime von Baschar al-Assad lauthals an die Spitze der Anti-Kriegs-Bewegung.

„Die Regierung hat seit Monaten klar gemacht, dass sie gegen den illegitimen und unnötigen Angriffskrieg gegen den Irak ist“, verkündet Buthaina Sha´aban, Sprecherin des Außenministeriums und selbst Mitglied im Zentralkomitee der Baath-Partei. Ein Krieg könne keine Befreiung, sondern nur Tod und Zerstörung bringen, erklärt sie. In einem Pressegespräch am Donnerstag in Damaskus lobte sie die Türkei dafür, dass das Land keine Angriffe von seinem Boden aus zulasse. Dies hätte „mindestens“ die Haltung aller arabischer Regierungen sein müssen. Die Äußerungen von Präsident Baschar al-Assad in einem Interview vor zehn Tagen spielte sie herunter. Der syrische Präsident habe lediglich erklärt, dass der Widerstand von Bevölkerungen gegen Besatzungsmächte in der Geschichte immer erfolgreich gewesen sei. Im Westen war Assad teilweise so verstanden worden, als wünsche Syrien sich eine militärische Niederlage der USA im Irak. Buthaina Sha´aban hat auch eine Erklärung dafür, dass trotz der unterschiedlichen Positionen kein Konflikt zwischen Damaskus und Washington auszumachen sei: „Wir glauben, dass die Aggression gegen den Irak langfristig nicht im Interesse der amerikanischen Bevölkerung oder der US-Regierung ist.“ Die Drohungen von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gegen Syrien verstehe man „nicht als militärische Drohung“.

Auffallend in dem Gespräch mit der professionell auftretenden Buthaina Sha´aban ist ein demonstratives Mitgefühl. Sie hält das Foto einer toten Mutter mit einem toten Kind hoch und fragt mit erregter Stimme, ob dies der „Preis“ für einen Regimewechsel sei. Syrien unterstütze die irakische Bevölkerung, antwortete sie auf eine Frage, ob Damaskus das Regime von Saddam Hussein verteidige. Westliche Diplomaten in Damaskus äußerten die Vermutung, dass auch bei Präsident Baschar al-Assads Interview-Äußerungen Emotionen eine größere Rolle gespielt haben als politische Strategien. So rätseln sie, warum der syrische Präsident sich so offen mit den USA angelegt hat. Eine These besagt, dass dies einem historischen Muster syrischer Politik entspricht: dass laute Töne für die eigenen Leute angeschlagen werden, in der Praxis aber pragmatische Politik betrieben wird. Darüber gebe es möglicherweise ein unterschwelliges Einverständnis mit den USA. Einer anderen These zufolge ist Syrien davon überzeugt, dass es als Nächstes unter Druck der Amerikaner geraten wird. Damit hätte das Land nichts zu verlieren

Die syrische Regierung hat die Bevölkerung hinter sich und hält in der Region das Banner des Pan-Arabismus hoch. Damit kann das Regime zumindest kurzfristig davon ablenken, dass Politik und Wirtschaft im Inneren seit Baschar al-Assads Amtsantritt vor mehr als zwei Jahren stagnieren. Die kurze politische Öffnung war schnell vorbei. Wirtschaftliche Liberalisierung war zwar angekündigt. Aber die Privatbanken gibt es zwei Jahre später noch immer nicht, eine freie Konvertibilität des syrischen Pfundes ist nicht vorgesehen. Auch beim Assoziierungsabkommen mit der EU, das seit 1998 verhandelt wird, ist man im wirtschaftlichen Teil bisher nicht vorangekommen.

Jetzt ist der Irak-Krieg das beherrschende Thema, und da dürfen sich die Syrer relativ frei ausdrücken. Täglich sind auf der großen Abu-Rumeinah-Hauptstraße Demonstrationen zugelassen. Mal zeigen staatliche Berufsverbände ihre Solidarität mit dem irakischen Volk. Doch auch kleine Oppositionsgruppen demonstrieren jeden Abend am unteren Ende der Straße. Der Menschenrechtler und Anwalt Haissam al-Malih, der mit Berufs- und Reiseverbot belegt wurde, sieht sich in dieser Frage an der Seite des von ihm bekämpften Regimes. „Ich habe das auch in Artikeln zum Ausdruck gebracht, allerdings gleichzeitig mehr politische Freiheiten gefordert“, sagt der 73-jährige Mann.

Die politische Freiheit besteht vorläufig nur etwa darin: Neuerdings dürfen Demonstranten den ägyptischen Präsidenten Mubarak und den jordanischen Monarchen Abdallah für ihre zumindest mittelbare Unterstützung der USA im Irak-Krieg beschimpfen. „Gott segne die Hand, die ihnen Böses tut“, rufen sie. In diesem Falle schaut die syrische Armee gefällig zu.

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