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Politik: Der Osten in der Kreide

Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern nahmen 2006 keine neuen Kredite auf – das ist nur ein Anfang

Von Matthias Schlegel

Berlin/Schwerin - Es war wohl ernüchternd für Regierungschef Harald Ringstorff und seine Finanzministerin Sigrid Keler (beide SPD), dass der „historische Tag“ für Mecklenburg-Vorpommern so wenig überregionale Aufmerksamkeit fand. Mitte Januar teilte Ringstorff mit, dass sein Land im Jahr 2006 keine neuen Kredite aufgenommen habe. Das Bundesland, das sich noch immer mit dem längst überholten Image einer verschlafenen Provinz herumplagt, hatte sich damit an die Seite des ostdeutschen Musterknaben Sachsen und des gesamtdeutschen Vorzeigefreistaats Bayern gestellt.

Solch ein „verantwortungsvoller Umgang mit dem uns anvertrauten Geld“ sei auch „ein deutliches Signal an die alten Bundesländer, deren Solidarität wir noch immer in Anspruch nehmen“, vergaß Ringstorff nicht zu erwähnen. Und in der Tat: Nur dank noch immer kräftig sprudelnder Solidarpaktgelder haben die ostdeutschen Bundesländer eine komfortable Einnahmesituation. Immer wieder sind sie – außer Sachsen – dafür gescholten worden, dass sie diese Mittel nicht wie vereinbart in Investitionen und zum Ausgleich für teilungsbedingte Lasten verwenden, sondern damit auch ihre Haushalte aufbessern. Reumütig versichert der Schweriner Regierungschef nun, dass dieser „sehr gute Haushaltsabschluss“ das Land in die Lage versetze, künftig bei 90 Prozent der Solidarpaktmittel den Nachweis zweckgerichteter Verwendung zu führen.

In den nächsten Jahren nun werden die Solidarpakttransfers abnehmen – bis sie 2019 bei null angekommen sind. Das drückt im Osten kräftig auf die Haushalte. Hinzu kommen, stärker als im Westen, die Folgen von Überalterung und Abwanderung: Immer weniger Steuerzahler erwirtschaften die Einnahmen.

Für Sachsen-Anhalt zum Beispiel hat das Institut für Wirtschaftsforschung Halle einen „drastischen finanzpolitischen Kurswechsel“ angemahnt. Bis 2020 wird das Land rund 2,5 Milliarden Euro an Transferzahlungen des Bundes und der EU verlieren. Das werde zwar zum Teil durch steigendes – gesamtdeutsches – Steueraufkommen ausgeglichen, von dem Sachsen-Anhalt über den Länderfinanzausgleich profitiert. Doch selbst bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von 2,2 Prozent werden die Einnahmen des Landes im Jahr 2020 etwa 750 Millionen Euro unter denen des Jahres 2005 liegen. Strenge Haushaltskonsolidierung, in erster Linie durch Einsparung bei Personalkosten in einer von immer weniger Menschen bevölkerten Infrastruktur, bleibt oberstes Gebot. Denn zusätzlich sind die seit der Wende angehäuften Schuldenberge noch abzutragen. Sachsen ist es nun erstmals gelungen, über den Verzicht auf Neuverschuldung hinaus sogar Schulden zu tilgen. Aber jene 62 Millionen Euro, um die der Freistaat seine Schuldensumme abschmelzen konnte, haben die Pro-Kopf-Verschuldung von 2849 Euro nicht reduziert – weil sich die Restschuld auf weniger „Köpfe“ verteilt.

Tendenziell höhere Steuereinnahmen kommen der Haushaltskonsolidierung entgegen. Doch um keine Illusionen aufkommen zu lassen: Nach wie vor finanziert auch das innovative Sachsen seinen 16-Milliarden-Euro-Haushalt nur etwa zur Hälfte aus eigenem Steueraufkommen – die andere Hälfte kommt aus Zuweisungen vom Bund, von noch stärkeren (West-)Bundesländern und von der EU.

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