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Auszeichnung für die EU: Der Preis der Zukunft

Die Entscheidung der Osloer Jury, der EU den Friedensnobelpreis zu verleihen, ist nicht unumstritten. Von welchen Motiven ist sie geleitet?

Am Ende war es doch für viele politische Beobachter eine Überraschung – obwohl schon eine Stunde vor Bekanntgabe der Entscheidung des Nobelpreiskomitees ein norwegischer TV- und Rundfunksender die Nachricht in die Welt gesetzt hatte: Die Europäische Union würde in diesem Jahr die weltweit höchste Auszeichnung für Verdienste um Frieden und Menschenrechte erhalten. Als Komitee-Vorsitzender Thorbjörn Jagland in Oslo an das Pult trat, lag dennoch gespannte Unruhe in der Luft. Die Preisverleihung sei eine Botschaft an das mit einer schweren Schuldenkrise kämpfende Europa, das Erreichte zu bewahren und weiter zu entwickeln, sagte Jagland und fügte hinzu, die Auszeichnung sei eine Mahnung, was verloren ginge, „wenn der Union das Auseinanderbrechen gestattet würde“. Die Botschaft an Europa sei: „Bewahrt, was wir für diesen Kontinent bislang erreicht haben“, sagte er.

Die fünfköpfige, vom norwegischen Parlament nach dessen Mehrheitsverhältnissen mit altehrwürdigen Politiksenioren besetzte Friedensnobelpreisjury stehe „einstimmig“ zum diesjährigen Preisträger, betonte Jagland. Das löste zumindest bei den Linkssozialisten Verwunderung aus. Denn die Entscheidung des Komitees war durchaus nicht unumstritten. So warf denn auch Audun Lysbakken, Chef der normalerweise in der fünfköpfigen Jury vertretenen Linkssozialisten, im Onlinemedium aftenposten.no die polemische Frage auf, ob Jagland im Komitee „geputscht“ habe, während die Vertreterin der Linkssozialisten krank gewesen sei. Tatsächlich war Ågot Valle, die turnusgemäß die betont EU-kritische Partei im Nobelkomitee vertrat, längere Zeit krank gewesen und durch den nicht zur Partei gehörenden Bischof Gunnar Stålsett ersetzt worden. Lysbakken meinte, der Preis für die EU sei „zur falschen Zeit an den falschen“ gegeben worden.

Bildergalerie: Die Reaktionen auf die Nobelpreis-Vergabe an die EU:

Jagland selbst war von 1996 bis 1997 sozialdemokratischer Ministerpräsident Norwegens und drängt seit Jahren darauf, der EU den Preis zu verleihen. In Norwegen wurde immer wieder von namhaften Friedensforschern kritisiert, dass die Zuständigkeit von Top-Politikern für die Friedensnobelpreis-Vergabe eine unbefangene Auswahl erschwere. So wurde offen unterstellt, Jagland tue sich als diplomatischer Europaratsvorsitzender etwa schwer, russische Dissidenten mit dem hohen Preis auszuzeichnen, weil Russland wichtiges Mitglied im Europarat sei.

Im Vorfeld der diesjährigen Verleihung war auch der deutsche Kanzler der Einheit Helmut Kohl (CDU) als heißer Favorit gehandelt worden. Schließlich sei Deutschland ein zentraler Motor bei der Beendigung des Kalten Krieges gewesen, hieß es. In den letzten Jahren wurde jedoch deutlich, dass sich die Osloer Friedensrichter gern auf Preisträger einigen, die auch eine wichtige Rolle in Gegenwart und Zukunft spielen und deren Verdienst nicht ausschließlich historisch begründet sind. Unter diesen Vorzeichen war im Jahr 2009 auch die Ehrung des damals gerade erst ins Amt gewählten US-Präsidenten Barack Obama zustande gekommen.

Von Obama bis Mutter Theresa - Frühere Gewinner des Friedensnobelpreises:

Die Frage, ob die diesjährige, recht unerwartete und teils heftig kritisierte Friedenspreisvergabe an die EU auch Konsequenzen für die reiche Erdölfördernation Norwegen bezüglich einer baldigen EU Mitgliedschaft habe, beantwortete Juryvorsitzender Jagland mit einem bedauernden „Nein“: „In Norwegen ist die Zustimmung zu einem EU-Beitritt derzeit historisch niedrig. Aber Norwegen ist eng mit der EU assoziiert“, sagte er.

Eine wichtige, normalerweise bei der Friedenspreisverleihung selten gestellte Frage konnte Jagland am Freitag nicht beantworten – nämlich wer von der vielköpfigen Organisation der EU den Preis vom norwegischen König am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter, Dynamiterfinder und Großunternehmer Alfred Nobel, entgegennehmen werde. Die Kommission habe dem Nobelpreiskomitee vorgeschlagen, die Auszeichnung Kommissionspräsident Barroso und dem ständigen Ratspräsidenten Herman van Rompuy gemeinsam zu überreichen, sagte ein Sprecher der EU in Brüssel. Es könne aber auch sein, dass nur ein Vertreter nach Oslo fahre. Und er teilte mit, dass die EU das Preisgeld in Höhe von rund 930 000 Euro voraussichtlich an eine Wohltätigkeitsorganisation spenden werden. Eine Entscheidung darüber ist aber noch nicht gefallen. mit dpa, rtr

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