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Wolfgang Bosbach war Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag.

© dpa

Der Rückzug von Wolfgang Bosbach: Ein bisschen konsequent

Niemals geht man so ganz: Warum Wolfgang Bosbach zwar seine Ämter niederlegt hat, aber weiterhin Abgeordneter des Bundestags bleibt.

Von Robert Birnbaum

Mit der Konsequenz halten sie es im Rheinland so, dass man es nicht übertreiben soll. Wolfgang Bosbach kennt sich da aus, er war 22 Jahre lang Präsident der Karnevalsgesellschaft „Große Gladbacher“. Bundesweit besser bekannt ist der CDU-Abgeordnete als Talkshow-Dauergast, der seiner Kanzlerin die Stimme für ihre Griechenland-Politik verweigert. Als er das im Frühjahr ein weiteres Mal tat, hat Bosbach angekündigt, dass er beim nächsten Mal Konsequenzen zieht. Am Donnerstag ist es so weit. Bosbach hat sich mit seinem Kreisverband beraten, dann gibt er eine Erklärung ab: „Ausnahmsweise: In eigener Sache.“

Der Beschluss ist gefallen. Er ist von rheinischer Konsequenz. Wolfgang Bosbach tritt zurück – nicht vom Abgeordnetenmandat, nein, vom Vorsitz des Innenausschusses. „Ich werde dann nur noch als normaler Wahlkreisabgeordneter tätig sein“, sagt der 63-Jährige. Er habe lange über den kompletten Rückzug nachgedacht. Doch wolle er die Menschen nicht enttäuschen, die ihn gerade wegen seiner kritischen Haltung gewählt hätten. Für die könne er ja nur im Parlament werben und nicht ohne Mandat. Auch der Kreisvorstand habe ihn gebeten, nicht ganz hinzuwerfen. Kurz: „Ich habe niemanden gefunden, der diese Idee für gut gehalten hat.“

Wer das nicht ganz logisch findet, ist jedenfalls in guter Gesellschaft. Bosbach steht als Innenpolitiker in hohem Ansehen, auch bei der Opposition, und sein Ausschuss-Amt hat mit der Griechenland-Rettung rein gar nichts zu tun. Sicher, der Verzicht bedeutet zugleich den Rückzug aus Führungsgremien wie dem Fraktionsvorstand, in denen natürlich auch der Griechenland-Kurs vorgeprägt wird. Kollegen aus der Unionsfraktion finden die Entscheidung trotzdem kurios – zumal nach den dräuenden Andeutungen, die Bosbach seit Monaten von sich gab. Zitiert werden will keiner, weil sie „Wobo“ nicht wehtun wollen. Der 63-Jährige geht zwar mit seinem ausgeprägten Hang zum öffentlichen Auftritt auch Parteifreunden oft auf die Nerven.

Keine Talkshow lässt er aus

Aber richtig böse war ihm bisher nur Ronald Pofalla. Und der seinerzeitige Kanzleramtschef musste dafür büßen. Sein hingefauchtes „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ fiel auf ihn zurück. Tatsächlich war es so, dass zu denjenigen, die Bosbachs kompletten Abtritt von der Politbühne für keine gute Idee hielten, beizeiten auch er selbst gehörte; der Konsequenzen wegen. Bosbach ist ein öffentlicher Mensch. Er hat seine unheilbare Krebserkrankung selbst offenbart – wehrt aber besorgte Nachfragen ab: „Passen Sie auf sich auf!“

Er lässt keine Talkshow aus – spielt freilich seine eigene Rolle ironisch herunter: „Früher warst du Rebell, wenn du eine revolutionäre Bewegung angeführt hast. Heute bist du ja schon Rebell, wenn du bei deiner Meinung bleibst.“ Trotzdem gefiel ihm die Aufmerksamkeit, die ihm sein Euro-Rebellentum bescherte. Aber hinter dem Selbstdarsteller steckt ein zweiter, widersprüchlicher, empfindlicher Bosbach. Der will gemocht werden. Und der will sich auf gar keinen Fall zum Kronzeugen gegen seine Kanzlerin und Parteivorsitzende stempeln lassen. „Ich werfe mich für Angela Merkel in jede Schlacht“, versichert er auch am Donnerstag wieder.

Nur eben nicht in der Griechenland-Sache. Die CDU habe versprochen, dass Europa keine Transferunion werden dürfe, und er fühle sich an dieses Versprechen gebunden. Schon, um die Kluft zwischen Wählern und Politikern nicht noch weiter zu vergrößern: „Ich hänge mehr an politischen Überzeugungen als an einem politischen Amt.“ Das ist nun ein sehr grundsätzlicher Satz. Mit normaler Logik weiter gedacht hieße er, dass andere ihrem Amt die eigenen Überzeugungen opfern. Das wiederum könnte man für eine relativ selbstgerechte Sichtweise des Abgeordneten Bosbach halten.

Aber wer so denkt, hat den rheinischen Karneval nicht verstanden. Der kann böse austeilen im Narrengewand – böse gemeint sein will er nicht. Bosbach liebt diesen Unernst. „Die allerletzte Karnevalssitzung wird für mich schwerer sein als die letzte Parteiversammlung“, hat er einmal gesagt. Doch bis zur letzten Parteiversammlung ist ja jetzt erst mal wieder etwas Zeit. Er liebäugelt schon mit der nächsten Bundestagskandidatur 2017.

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