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Politik: Der Schakal in Berlin

Paris erlaubt dem Terroristen Carlos eine Aussage in der Hauptstadt – wenn die Behörden alles tun, ihn nicht entwischen zu lassen

Zwei Jahrzehnte lang war er der meistgesuchte Terrorist der Welt: Illich Ramirez Sanchez alias „Carlos“. Seit 1994 sitzt der Linksextremist in Frankreich im Gefängnis. Doch nun bereitet der berühmt-berüchtigte Häftling den deutschen Behörden Kopfzerbrechen. Carlos, der „Schakal“, soll in Berlin als Zeuge im Mordprozess gegen den Terroristen Johannes Weinrich aussagen, der als seine rechte Hand galt.

Sieben Monate lag ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen des Berliner Landgerichts bei den Pariser Behörden. Nun gab das französische Justizministerium grünes Licht. Man stimme einer zeitweiligen Überstellung des Häftlings grundsätzlich zu, heißt es in dem Schreiben. Allerdings wird „in Anbetracht der Gefährlichkeit“ von Sanchez um eine detaillierte Angabe der Sicherheitsvorkehrungen gebeten, „die zur Ausschaltung jedes Fluchtrisikos auf deutschem Territorium eingesetzt werden“.

Ursprünglich war an eine Videoschaltung in den Berliner Gerichtssaal gedacht worden, bei der Carlos aus dem Hochsicherheitsgefängnis Chateauroux-Saint-Maur 260 Kilometer südlich von Paris aussagen sollte. Das aber lehnte der wegen Mordes an zwei Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilte Carlos ab. Einer Aussage in Berlin dagegen stimmte er zu. „Er verspricht sich offenbar einen großen Auftritt“, sagte der Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis. Den Besuch des gebürtigen Venezolaners sieht der Ankläger im Weinrich-Prozess mit Skepsis: „Die Entscheidung wird davon abhängen, ob wir in der Lage sind, die Sicherheitsanforderungen, die die französischen Behörden von uns erwarten, zu erfüllen.“ Dies müssen zunächst die Berliner Behörden prüfen und sich anschließend mit dem Bundesjustizministerium abstimmen. Erste Gespräche der Behörden dazu sind noch in dieser Woche vorgesehen.

Carlos zog nach Überzeugung der Ermittler mit seiner „Organisation Internationaler Revolutionäre“ in den 70er und 80er Jahren eine Blutspur durch Europa. Wegen einiger dieser Anschläge muss sich sein langjähriger Gefährte Weinrich seit März vor dem Berliner Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 56-Jährigen sechsfachen Mord und Mordversuch in 153 Fällen bei sechs Bombenanschlägen in Frankreich, Deutschland und Griechenland zwischen 1975 und 1983 vor. Im Januar 2000 wurde er wegen des Bombenanschlags auf das französische Kulturzentrum Maison de France in Berlin 1983 zu lebenslänglich verurteilt. In seinem laufenden Prozess verweigert er die Aussage. Auf das Treffen mit Carlos wird er – wenn es kommt – wohl bis Frühjahr warten müssen.

Kerstin Gehrke

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