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Politik: Der Schock der neuen Grenzen

Der Appell der acht trifft die gemeinsame EU-Außenpolitik hart – aber auch das Europaparlament ist uneins

Europas Chefdiplomat Javier Solana schweigt. Schließlich ist der Scherbenhaufen schon groß genug, den der britische Premierminister Tony Blair, Spaniens Ministerpräsident Jose Maria Aznar und die sechs übrigen Unterzeichner des Appells für einen Schulterschluss zwischen den USA und Europa in Brüssel hinterlassen haben: Die außenpolitische Spaltung der Europäischen Union in der Irak-Frage ist öffentlich geworden. Die Mitarbeiter des Spaniers Javier Solana, der einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik eigentlich Gesicht und Stimme geben soll, sagen an diesem Freitag in Brüssel nur so viel: Es bleibt bei der bisherigen Haltung der EU zum Umgang mit Saddam Hussein. Die UN-Inspekteure im Irak sollen nach Brüsseler Lesart auch die Zeit bekommen, die sie brauchen.

Dennoch wird auch in der EU-Hauptstadt nicht beschönigt, dass die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union mit dem offenen Brief der acht einen Rückschlag erlitten hat. Während am vergangenen Montag die 15 Außenminister über einen Kompromiss in der Irak-Frage brüteten, kursierte in fünf EU-Hauptstädten sowie in Warschau, Prag und Budapest schon ein Entwurf für den gesonderten Appell. Der Aufruf löste im EU-Ministerrat, dem Gremium der Außenminister, in der EU-Kommission und im Europaparlament ungläubiges Staunen aus. Völlig überraschend, bilanziert der deutsche Europaabgeordnete Jannis Sakellariou, sei für viele Parlamentarier die Tatsache gewesen, dass sich dem Aufruf auch Staats- und Regierungschefs aus Dänemark, Portugal, Polen, Tschechien und Ungarn angeschlossen hätten. Der außenpolitische Sprecher der sozialdemokratischen SPE-Fraktion wertet das Vorpreschen der acht als einen „Rückschritt von Jahren“ für die EU-Außenpolitik. Auch Europaparlaments-Präsident Pat Cox übte am Freitag Kritik an dem Vorgehen der acht: „Ich wäre froh, wenn maßgebende europäische Spitzenpolitiker mehr Zeit mit der Suche nach einem Konsens verbringen würden, statt auf eigene Faust irgendeine eigene diplomatische Initiative zu starten“, sagte Cox in Prag.

Allerdings tun sich auch im Europaparlament unterschiedliche Fronten zum Irak auf: Besonders konservative Abgeordnete aus Großbritannien, Spanien und Italien fordern ein entschiedeneres Auftreten gegenüber Bagdad. Auf der anderen Seite will eine Gruppe von Europaabgeordneten in der kommenden Woche mit Vertretern der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisationen in New York und Bagdad sprechen.

Haben Deutschland und Frankreich die außenpolitische Spaltung in der EU nicht selbst herbeigeführt, indem sie zum Jahrestag des Elysée-Vertrages Einigkeit in der Irak-Frage demonstrierten und damit den übrigen 13 EU-Staaten ihre Linie vorgaben? Die griechische EU-Ratspräsidentschaft sieht dies offenbar nicht so. Als „sehr hilfreich“ habe Athens Außenminister, der amtierende EU-Ratsvorsitzende Giorgos Papandreou, den deutsch-französischen Schulterschluss bezeichnet, so der gebürtige Grieche Sakellariou. Im kommenden Monat will Athen doch noch eine gemeinsame Haltung der EU zum Irak zu Stande bringen. Regierungschef Kostas Simitis plant einen Gipfel, der Mitte Februar stattfinden könnte. Außenminister Papandreou hat das ehrgeizige Ziel, dabei gleich 28 Europäer unter einen Hut bringen: Auch an die Einladung der drei EU-Anwärter Bulgarien, Rumänien und Türkei ist gedacht.

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