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Politik: Der totale Wahlkampf

KALIFORNISCHE LEHREN

Von Clemens Wergin

In Zukunft wird also ein „Terminator“ die sechstgrößte Wirtschaftsmacht der Welt führen. Die MedienPolitik-Spirale mendelt sich auf eine neue Ebene. Arnold Schwarzenegger ist zwar nicht der erste Filmstar, der zum Politiker mutierte. Aber er ist der erste, der für seine Polit-Karriere Anleihen bei den von ihm verkörperten Figuren nahm. Als Schwarzenegger Anfang August in der Jay-Leno-TV-Show seine Kandidatur bekannt gab, klang er wie seine eigene Film-Persiflage. Er werde in der Hauptstadt Sacramento „richtig aufräumen“, sagte er dem erstaunten Publikum. Was tut man im Geschäft nicht für einen guten Gag – nun wird er Wirklichkeit.

Kalifornien gilt selbst in den USA als durchgedrehter Staat. Aber was sich an der Westküste einmal durchsetzt, macht später im ganzen Land Schule – und kommt irgendwann nach Europa. Deshalb macht man es sich zu leicht, Schwarzenegger als bloßes Hollywood-Phänomen abzutun. Denn sein Wahlsieg ist weniger ein Indiz für die Macht des Showbiz als für das Scheitern der Politik. Das kalifornische Drehbuch bietet alles, was politisches Versagen heute ausmacht: einen farblosen Gouverneur, den Schwarzenegger zu Recht als „Karrierebürokraten“ bezeichnet hat, ein politisches System der Selbstblockade, in dem der Haushalt mit zwei Dritteln der Stimmen verabschiedet werden muss, und zwei politische Lager, die sich mit allen Mitteln gegenseitig behindern.

Schwarzeneggers Wahlkampf war eine populistische Anti-Establishment-Kampagne, gerichtet gegen den verhassten Berufspolitiker an sich – egal welcher Couleur. Mit Schwarzenegger vollendet sich so, was in den USA 1992 mit Ross Perots Präsidentschaftskandidatur begonnen hatte: Das politische Establishment wurde besiegt.

Die Unzufriedenheit mit den Berufspolitikern macht sich auch in Europa breit. Und wie im Falle Schwarzenegger kommen auch auf dem alten Kontinent die Populisten immer häufiger aus der Mitte statt vom rechten Rand. Die Erfolge Silvio Berlusconis oder Pim Fortuyns zeigen, dass sich im bürgerlichen Zentrum Wut auf die Verhältnisse breit macht. Auf Politiker, die die wahren Probleme der Bürger ignorieren oder taktische Manöver wichtiger nehmen.

Berlusconis Wahlkampf-Slogan „Ich habe schon genug Geld, da muss ich keines mehr stehlen“ gleicht in verblüffender Weise Schwarzeneggers Angriff auf den Einfluss der Lobbys: „Ich muss von niemandem Geld annehmen, ich habe selbst genug davon“. Gleichzeitig machen aber urdemokratische Instrumente wie in Kalifornien verantwortliches Regieren noch schwieriger. Schon warten die Demokraten auf die erste Schwächeperiode Schwarzeneggers, um ihrerseits eine Abwahl durchzusetzen. Der „Total Recall“ wird zur Drohung mit dem totalen Wahlkampf. Notwendige Entscheidungen können gar nicht mehr getroffen werden, weil der Bürger seinem Ärger sofort in Referenden Luft machen kann. Ähnlich wirken sich in Deutschland die Landtagswahlen aus, die immer mehr zu deutschen „Recall-Referenden“ werden. Das Ergebnis: Niemand traut sich mehr was. Die Politik schiebt alle unangenehmen Entscheidungen hektisch in die kleinen Zeitfenster zwischen zwei Wahlen. Die Demokratie wird zum Damoklesschwert in der Hand der Unzufriedenen.

Viele von Schwarzeneggers Wählern erwarten nun, dass der Terminator eine Schneise durchs Dickicht der Interessen schlägt, die die Politik zu ersticken drohen. Sein Filmimage als Auf- und Abräumer in die Politik zu verlängern – diese Rechnung ist vorerst aufgegangen. Wer einen Terminator in Europa verhindern will, muss selbst die Ärmel aufkrempeln.

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