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Politik: Der Überzeugungstäter

BUSHS AFRIKAREISE

Von Malte Lehming

Am Freitag feierten die Amerikaner ihren Unabhängigkeitstag. Sie fuhren ins Grüne oder an den Strand, abends wurden Feuerwerke abgebrannt. Der Präsident hielt, wie üblich, eine patriotische Rede. Doch diesmal klang sie anders. Nicht Stolz und Tatendrang schwangen mit, sondern die Bitte um Ausdauer und Geduld. Die Nation befinde sich immer noch im Krieg, mahnte George W.Bush seine Landsleute. Er erwähnte die schweren Belastungen, denen die Soldaten ausgesetzt sind. Ein Ende dieser Belastungen steht nicht in Aussicht. Es war ein Durchhalteappell.

Wie notwendig der ist, zeigt ein Blick in die Nachrichten. In Afghanistan breiten sich die alten Kräfte wieder aus. Im Irak werden fast täglich Anschläge auf USTruppen verübt. Bald werden dort seit der Einnahme Bagdads mehr Amerikaner gestorben sein als während der gesamten Intervention. Von Osama bin Laden und Saddam Hussein fehlt jede Spur. Ebenso aussichtslos scheint es, die angeblich so bedrohlichen irakischen Massenvernichtungswaffen zu finden. Die Konflikte mit Nordkorea und dem Iran schwelen vor sich hin. Hinzu kommen Rekordzahlen beim Haushaltsdefizit und bei der Arbeitslosigkeit. Bush hat zwei Kriege gewonnen. Trotzdem befindet er sich in der Defensive. Der Unmut der Amerikaner wächst.

Jetzt bürdet sich Bush einen weiteren Problemherd auf. Morgen fliegt er nach Afrika. Zwar sind die fünf Länder, die er besucht, relativ stabil – Südafrika und Nigeria sind die beiden mächtigsten, die Entwicklungen in Senegal, Uganda und Botswana lassen hoffen. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung wird die Reise von all den Kriegen und Katastrophen des Kontinents überschattet. Die Aufzählung hat einen beliebigen Anfang und kein echtes Ende: Aids-Epidemie, Hungersnot in Zimbabwe und Äthiopien, Gemetzel im Kongo, Krankheiten und Flüchtlingsströme als Folge der Bürgerkriege in Guinea, Sierra Leone, der Elfenbeinküste und Liberia. Egal, was Bush sagt, verspricht und tut, es wird zu wenig sein. Gewinnen kann er auf dieser Reise nicht. Keiner könnte das. Von jeder Geste wird es heißen, sie sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Gut möglich, dass Amerika demnächst ein paar hundert Soldaten, zeitlich befristet, nach Liberia schickt.

Ist Bush ein Narr oder besonders durchtrieben? Warum tut er sich den Tort an? Will er ablenken von dem heimischen Sorgenberg? Will er Wählerstimmen schwarzer Amerikaner fangen? Will er sein Cowboy-Image loswerden? Es fällt leicht, den US-Präsidenten taktischer Motive zu verdächtigen. Frei davon ist er wohl kaum. Doch das sollte den Blick auf die positiven Seiten seines Engagements nicht verstellen. Im Vordergrund steht die Hilfszusage zur Aids-Bekämpfung in Höhe von 15 Milliarden Dollar. Dieses Volumen setzt einen Maßstab, der andere reiche Nationen knickerig wirken lässt. Sollte sich Bush zu einer humanitären Intervention in Liberia entschließen, wäre das ebenfalls beachtlich. Daheim würde er deswegen einer Überstrapazierung der US-Streitkräfte geziehen. Populär wäre ein solcher Schritt keineswegs.

Allein Truppen zu schicken und Gelder, rückt Erste und Dritte Welt jedoch nicht näher zusammen. Am wichtigsten für Afrika wäre eine neue transatlantische Initiative zur Reduzierung der europäischen und amerikanischen Agrarsubventionen. Sie sind das größte Hindernis beim Aufbau eines afrikanischen Agrarmarktes. Das Thema ist heikel. Sollte Bush es ansprechen, könnte er damit auch in Europa eine entwicklungspolitische Debatte anstoßen, die vielen Beteiligten ungelegen kommt, die aber bitter notwendig ist. Die Vermutung drängt sich auf, dass dieser US-Präsident tatsächlich ein Überzeugungstäter ist. Das macht ihn radikal, manchmal borniert und ziemlich rücksichtslos – im Schlechten wie im Guten.

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