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Politik: Der Verkehrt-Minister

Winfried Hermann steht in der Kritik wie kein Mitglied der Stuttgarter Landesregierung sonst – das liegt auch an dem Grünen selbst

„Verkehrsminister auf Geisterfahrt?“ lautet das Thema einer aktuellen Landtagsdebatte am Donnerstag, und immerhin steht da noch das Fragezeichen. Für die meisten CDU-Oppositionsabgeordneten, die die Debatte beantragten, ist gleichwohl klar: Winfried Hermann, grüner Chef des nach der Wahl neu geschaffenen Verkehrs- und Infrastrukturministeriums, gefährdet die Interessen des Landes – zu Schiene, zu Straße und nun sogar zu Wasser.

Ebenfalls am Donnerstag wird Gegnern wie Befürwortern des Bahnhofsneubaus Stuttgart 21 das Ergebnis jenes Stresstests überreicht, mit dem die Bahn nachweisen will, dass der achtgleisige Untertagebahnhof weit mehr kann als der 16-gleisige, heruntergewirtschaftete Kopfbahnhof. Nächste Woche soll eine öffentliche Präsentation stattfinden.

Die komplizierte Belastungssituation eines noch nicht gebauten Bahnhofs mittels eines imaginären Fahrplans hat die Bahn wohl bestanden, überdies testiert von einem (von den Gegnern vorgeschlagenen) Schweizer Spezialunternehmen. Der nächste Schlagabtausch findet wieder im Kabinett statt. Am Freitag trifft man sich zur Klausur am Bodensee, Hauptthema ist einmal mehr Stuttgart 21. Wenige Tage später will Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) dem Ministerrat das hochumstrittene Ausstiegsgesetz vorlegen. Es soll den Weg zum Bürgerentscheid ebnen, den Grün-Rot im Wahlkampf versprach. Die inhaltliche Federführung lag im Verkehrsressort, deshalb wurde „alles, was Hermann wollte“, eingearbeitet, so SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Kurios: Die Regierungsmehrheit muss hernach ihr eigenes Gesetz niederstimmen, denn nur so öffnet sich das Türchen zum Volksentscheid. Wann der stattfindet und ob überhaupt, steht aber in den Sternen. Die FDP droht bereits mit Klage, und namhafte Verfassungsjuristen halten es für ausgeschlossen, dass gegen das bereits vor Jahresfrist begonnene Bahnprojekt so noch vorgegangen werden kann. Selbst wenn: Mehrheiten bei der Bevölkerung für einen Ausstieg sind kaum vorstellbar. Erstens, weil die CDU sich weigerte, ihr Plazet zu geben für eine Verfassungsänderung. Sie wäre Bedingung, das im Südwesten hohe Quorum für einen gültigen Entscheid zu senken, geht aber nur mit Zweidrittelmehrheit und deshalb nicht ohne Union. Zweitens: Nach jetzigem Maßstab müsste ein Drittel der Stimmberechtigten und damit mehr als doppelt so viele Wähler für einen Ausstieg stimmen, als die Grünen (die einzigen dezidierten Projektgegner) bei der letzten Landtagswahl Stimmen bekamen. Und drittens: Umfragen signalisieren wieder eine Mehrheit für den Bahnhofsbau – nicht nur in der Provinz, sondern auch in der Landeshauptstadt, die vom Protest und seinen Blockaden augenscheinlich genug hat.

Hermann ist nicht nur erklärter Gegner des Bahnhofsneubaus, er hat sein Ministerium auch personell mit S-21-Kritikern durchsetzt – bis hin zum Bürgertelefon, bei dem ein Ex-„Parkschützer“ vom radikalen Flügel des Widerstandes an den Apparat geht. Und er eröffnet neue Fronten: Dass ein auf Opposition getrimmter Grüner wie er keine Straßen oder Umgehungstunnel befürwortet, versteht sich fast von selbst, obwohl die Infrastruktur schon angesichts der Wirtschaftskraft des Landes dringend nachgerüstet werden müsste. Nun aber ficht Hermann sogar gegen die Flussschiffahrt: Alle Neckarschleusen sollten auf die neuen europäischen Standardmaße verlängert werden, Geld vom Bund steht bereit. Aber der als „Verkehrt-Minister“ Verspottete stoppt das längst ausverhandelte Paket: Der Ausbau soll in Heilbronn enden, der Anschluss des Wirtschaftszentrums um Stuttgart hingegen sei nachrangig.

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