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Politik: Der Versprecher

Er mischt Metaphern, jongliert mit Phrasen und streckt Sätze durch Wortwiederholungen raffiniert in die Länge. Zu anderen, etwas leichteren und phantasievolleren Zeiten wäre George W.

Er mischt Metaphern, jongliert mit Phrasen und streckt Sätze durch Wortwiederholungen raffiniert in die Länge. Zu anderen, etwas leichteren und phantasievolleren Zeiten wäre George W. Bush als Dada-Talent gefeiert worden. Eine Kunstform, die Schriftsteller wie Ernst Jandl erst mühsam erlernen mussten, beherrscht der amerikanische Präsident im Schlaf. Der Texaner ist eine Naturbegabung.

"Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose": Das hat Gertrude Stein gesagt - und Generationen von Germanistik-Doktoranten mit der Frage beschäftigt, ob und wie sich Assoziationswelten durch Betonung des Immergleichen öffnen lassen. Auf einer vergleichbaren Abstraktionsebene muss Bush verstanden werden. Berühmt wurde ein Ausspruch von ihm aus dem vergangenen Jahr: "Ich weiß, was ich glaube, und ich werde weiterhin sagen, was ich glaube und was ich glaube - denn ich glaube, dass das, was ich glaube, richtig ist." So einfach wie genial ist auch der Satz: "Unsere Nation muss zusammenkommen, um zusammenzukommen." In Amerika werden solche "Bushism" fleißig gesammelt und als Buch verkauft. Naive Geister sind belustigt, kluge Köpfe beeindruckt.

Auf seiner Asien-Reise kam Bush am Montag in Japan an. Die Gespräche in Tokio drehten sich im Wesentlichen um Wirtschaftsdinge. Das langweilt den 43. US-Präsidenten. Und er weiß, dass es die Weltöffentlichkeit, die an Terror, Kriege und böse Achsenmächte gewöhnt ist, ebenfalls langweilt. Also verfiel er auf einen kleinen Aufmerksamkeitstrick. Um zu demonstrieren, wie irrsinnig nervös die Aktien- und Devisenmärkte reagieren, vertauschte er in der Pressekonferenz einfach ein einziges Wort. In seinem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten sei es unter anderem um "devaluation" (Abwertung) gegangen, sagte er. Prompt rutschte der Yen gewaltig ab. Der Trick hatte funktioniert. Später behauptete das US-Präsidialamt zwar, Bush habe sich versprochen und nicht "devaluation", sondern "deflation" (Preisverfall) gemeint. Aber das war nur eine nette Geste, um die Devisenhändler, die offenbar bereit waren, Milliardensummen aufgrund eines bloßen Gerüchts zu riskieren, nicht vollends zu blamieren.

In den USA sind Insider längst auf der Hut. Sie wissen, dass es Bush geschickt versteht, aus seiner vermeintlichen Artikulierungsschwäche politisches Kapital zu schlagen. Erst kürzlich hatte er den Wählern versichert: "Nicht über meine Leiche werden sie eure Steuern erhöhen." Seitdem glauben die Wähler, es werde keine Steuererhöhungen geben. Der Präsident hatte sich lediglich verhaspelt. In einer besseren Position kann dieser nun kaum sein. Wenn die Steuern nicht erhöht werden, hat Bush sich versprochen, aber sein Versprechen gehalten. Werden sie trotzdem erhöht, hat er nie etwas anderes versprochen und darf am Leben bleiben.

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