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Politik: Der Wettstreit um die Nachfolge von Bisky und Gysi ist eröffnet

Jetzt nur nicht dramatisieren. PDS-Punk Angela Marquardt würde die Krise ihrer Partei als Chance sehen.

Von Matthias Meisner

Jetzt nur nicht dramatisieren. PDS-Punk Angela Marquardt würde die Krise ihrer Partei als Chance sehen. Schließlich sei es auch ein Dilemma gewesen, dass alle immer gesagt hätten, ohne Gregor Gysi gehe es nicht. Und hoffnungsvoll fügt die ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende hinzu: "Er ist ja nicht weg."

Das wollen sich nach dem Münsteraner Parteitag besonders die reformorientierten Kräfte einreden. Sachsens PDS-Chef Peter Porsch erwartet, dass sich Lothar Bisky und Gregor Gysi nach ihrem Rückzug "ohne Rücksichten äußern". Die beiden Spitzenpolitiker würden sich zwar aus dem Amt verabschieden, aber nicht aus der PDS, sagte Porsch zum Tagesspiegel. Aber auch der gebürtige Wiener, der die Freistaat-Genossen seit Jahren führt, spricht von einem "Aderlass", der nicht einfach aufzuheben sein werde: "Hier entsteht ein Problem."

Dabei zählt für Porsch nicht, dass es an Kandidaten fehlt. Es ist unstrittig, dass der parlamentarische Geschäftsführer Roland Claus den populären Vormann Gysi im Amt des Fraktionsvorsitzenden beerben wird. Claus selbst sagt: "Ich habe mich nicht beworben." Doch schon seit einem Jahr wird er parteiintern als Gysi-Nachfolger gehandelt. In der Fraktion hat sich der Reformer kaum Feinde gemacht. Aber kann der Politiker aus Sachsen-Anhalt, öffentlich wenig in Erscheinung getreten, auch das Politik-Talent Gysi ersetzen? "Die Fähigkeit, für PDS-Politik zu werben, hat Gysi wie kein anderer", räumt Claus ein. Porsch kritisiert, dass die PDS schon unter Gysi und Bisky zu viel Nabelschau betrieben und zu wenig Politik gemacht habe. Und künftig? "Wir dürfen nicht nur Selbsthilfegruppe oder therapeutische Einrichtung sein."

Der scheidende Chef Bisky rät seinen Genossen, bei der Suche nach dem neuen Führungsduo nichts zu überstürzen. Er empfehle, an die Suche "nicht mit so viel Aufgeregtheit" heranzugehen. Doch gerade um die Besetzung des neuen Parteivorsitzendenamtes gibt es heftige Rangeleien - völlig unvorbereitet stürzt die Partei in die Nachfolgediskussion. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der als Favorit Gysis für das Vorsitzendenamt gilt, ist nach der Abstimmungsniederlage der Reformer zur Friedenspolitik unter Druck geraten. "Das war nicht gerade ein Ereignis, das Dietmar Bartsch schon auf den Thron gehievt hätte", sagt der Sachse Porsch andeutungsvoll. Der bayerische Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch, von der SPD zur PDS übergetreten, findet es "nicht gut" und "unglücklich", wie Bartsch nach der Delegiertenentscheidung die Basis beschimpft habe.

Für Bartsch sei es "schwerer geworden", sagt auch Michael Benjamin, der Vertreter der Kommunistischen Plattform im Parteivorstand. Andere formulieren radikaler: "Wer so polarisiert wie Bartsch, sollte nicht Parteivorsitzender sein. Ein Vorsitzender muss der Vater der Partei sein und nicht der Einpeitscher." Doch wen dann nehmen? Im Herbst soll der neue Vorsitzende gewählt werden. Bisher werden außer Bartsch als mögliche Kandidaten die Berliner PDS-Chefin Petra Pau, Bundesvize Gabi Zimmer und die sachsen-anhaltinische Fraktionschefin Petra Sitte genannt. Als Außenseiterin gehandelt wird die Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann, die mit ihrer emotionsgeladenen Rede auf dem Parteitag das strikte "Nein" der PDS zu UN-Militäreinsätzen durchgesetzt hat.

Regeln für die Kandidatenkür gibt es nicht - immer wieder wird der Ruf nach Basiskonferenzen laut. Pau fordert, den innerparteilichen Wahlkampf fair zu gestalten: "Dann werden sich Personen entscheiden. Zu denen gehöre auch ich." Fraktionsgeschäftsführer Claus hält es für verfrüht, sich in der Debatte um die Bisky-Nachfolge mit eigenen Vorschlägen zu positionieren. Aber denen, die jetzt nach einem Nachfolger mit integratorischen Fähigkeiten rufen, hält er entgegen: Falsch wäre es eine "schwache Person, mit der es keinen Ärger gibt", zu wählen.

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