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Hans-Joachim Fuchtel ist Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und zuständig für die Deutsch-Griechische Versammlung

© dpa

Deutsch-griechische Versammlung: 100 Bürgermeister aus Griechenland in Berlin

Vor dem Treffen am Mittwoch spricht Staatssekretär und Griechenland-Experte Hans-Joachim Fuchtel im Interview über Vorurteile, deutsch-griechische Projekte und Diplomatie in schwierigen Zeiten.

Für die fünfte deutsch-griechische Versammlung reisen am Mittwoch rund 100 Bürgermeister aus Griechenland nach Berlin und treffen hier auf ihre deutschen Kollegen. Was genau werden sie in der Stadt machen?

Wir tauschen in  Workshops Wissen und Erfahrungen aus zu Themen wie Abfallwirtschaft, Integration von Migranten oder Start-Ups in Kommunen. Unser oberstes Ziel ist es, von Kommune zu Kommune Know-How weiterzugeben. Und das wird in Griechenland sehr gut angenommen – auch wenn das vielleicht einigen Vorurteilen hier im Lande widerspricht. Unsere gemeinsame Maxime: Europa wieder an den Wurzeln zusammenbinden.

Die letzte Versammlung liegt schon gut zwei Jahre zurück. Wieso diese lange Pause? Hatten Sie Probleme mit der Syriza-Regierung?

Es waren nicht zuerst politischen Gründe. Die Arbeit wird parteiübergreifend anerkannt. Das gilt auch für Premier Alexis Tsipras - ich habe vor seiner Wahl lange mit ihm darüber gesprochen – und es gilt genauso für alle Fraktionen im Bundestag. Auch die Kooperation mit Annette Groth klappt, der Vorsitzenden der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe, und die ist bekanntermaßen eine Linke. Der Grund ist simpel: es gab in Griechenland Kommunalwahlen. Bis dann alles wieder geformt  ist, das dauert einfach.  Und das bei zuvor durchgeführten Kommunalreformen:  weit über tausend Gemeinden wurden zu 325 zusammengelegt. Solche Reformen haben auch in Deutschland Zeit zur Eingewöhnung gebraucht. Die gemeinsame Sacharbeit hat sich aber in dieser Zeit dynamisch entwickelt. Sonst würde die Versammlung nicht so viel Zuspruch finden. Sie ist einmalig in Europa.

Trotzdem sind auch Sie persönlich in der Griechenlandkrise förmlich abgetaucht, wollten sich öffentlich nicht äußern.

Die Finanzfragen, die zu dieser Zeit zu klären waren, gehören nicht zu meinem Aufgabenbereich. Deswegen bin ich  in dieser Zeit bewusst nicht in Griechenland gewesen.

In einer ähnlich aufgeheizten Situation griffen 2012 griechische Demonstranten den deutschen Generalkonsul wegen eines Zitats von Ihnen an. Sie hatten damals gesagt, für Arbeit, die in deutschen Kommunen tausend Beamte erledigten, brauche man 3000 Griechen. Haben Sie daraus gelernt?

Dies ging auf ein Missverständnis zurück, es war keine persönliche Kritik – wie von den griechischen Medien gerne geschürt - an den einzelnen Beamten, sondern am schwerfälligen System der Verwaltung. Viele in Griechenland haben gesagt: er hat doch Recht. Und zwischenzeitlich steigern die griechische Städte - oft mit Unterstützung der DGV-  ihre Effizienz tatsächlich.

Hatten Sie also nie Sorge, dass Ihre Arbeit als Einmischung der Deutschen in griechische Angelegenheiten angesehen werden könnte?

Wir haben immer versucht, den „Besserwessi“-Effekt, wie es ihn nach der Wende in Deutschland gab, zu vermeiden.  Das haben wir mit einer einfachen Regel geschafft: wir belehren nicht, geben nichts vor, sondern die Griechen stellen die Fragen. Wir machen dann Angebote. Wir geben Erfahrungen weiter, aber wir schreiben keine Vorlagen. Die Griechen sollen auch aus unseren Fehlern lernen. Die Deutschen haben zum Beispiel in der Abfallwirtschaft auch lange für gute Lösungen gebraucht. Das ging zu Lasten der Umwelt , kostet noch lange viel Geld  und lässt sich hoffentlich in Griechenland vermeiden. Dieser „Baukasten für Know-How Vermittlung“, den   gemeinsam erarbeitet haben, wird jetzt übrigens aus der ganzen Welt angefragt. Das ist wie ein politisches Patent.

Was lernen denn die Deutschen andersherum von den Griechen?

Neben Werten wie Herzlichkeit und Gastfreundschaft gibt es auch gesellschaftlich immer wieder interessante Anstöße: Es gibt zum Beispiel in vielen griechischen Parks Fitnessgeräte für ältere Menschen. So etwas interessiert deutsche Kommunen. Und auch für den sogenannten „Pflegeurlaub“, also Urlaubsreisen für Pflegebedürftige und ihre Angehörige, gibt es in Griechenland viele innovative Ideen. Tourismus ist überhaupt ein sehr wichtiges Feld. Da unterstützen wir auch die Bemühungen, die Saison zu verlängern und das wunderbare Angebot des Landes besser zu nutzen.

Das Interesse an Griechenland lässt in der deutschen Öffentlichkeit allerdings gerade gefühlt sehr stark nach…

Ich erlebe das Gegenteil. Es gibt in Deutschland gerade von Seiten der Kommunen ein großes Interesse an Partnerschaften, aber auch von Wirtschaftskammern. Die DGV hilft, dass sich  Regionen mit ähnlichen Strukturen finden. So soll zum Beispiel im Norden Griechenlands der große Nationalpark Rodopi an der bulgarischen Grenze, wunderschön,  besser touristisch erschlossen und gemanagt werden. Da haben die Griechen den Harz als Partner ausgewählt. Gerade im Moment sind wieder sechs griechische Ranger zum  Arbeitsbesuch im Harz. Ein anderes großes Thema sind Start-Ups. Sehr wichtig für den Aufbau eines echten Mittelstandes. Das vertiefen wir auch auf der bevorstehenden Deutsch-Griechischen Versammlung.

Sie sind oft direkt mit den Folgen der Krise und Sparmaßnahmen in Griechenland konfrontiert. Gleichzeitig vertreten Sie als Staatssekretär die Bundesregierung. Wie geht das zusammen?

Es ist wichtig, mit den Partnern offen zu sprechen. Man muss überlegen, wie gemeinsam aus schwierigen Situationen das Beste gemacht werden kann. Natürlich gibt es auch immer mal wieder Fälle wo das  in der Praxis nicht funktioniert. Konkretes Beispiel: Wenn der Gouverneur von Korfu seinen inzwischen durch neues Managementkonzept profitablen Anlegesteg für Kreuzfahrtschiffe privatisieren soll, der ihm gute Einnahmen bringt, fragt er ob das der richtige Weg ist? Die Zweifel des Mannes verstehe ich. Andererseits sehe ich aber auch, dass der Staat  finanzielle Konsolidierung anstreben muss und dazu auch Privatisierungen gehören. Was wir konkret tun können: Gemeinsam mit diesem Bürgermeister überlegen, was notwendig ist, damit die Touristen länger auf der Insel bleiben, konsumieren, nicht nur als Kreuzfahrer kommen. Also alternative Einnahmen gerieren.

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