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Wie Kreshnik B. ( hier mit seinem Anwalt Mutlu Günal) so schnell radikalisiert wurde, konnte der Prozess nicht klären.

© AFP

Deutscher IS-Prozess: Kreshnik B. will noch immer als Märtyrer sterben

Letzter Tag vor dem Urteil: Die Anwälte halten im Prozess gegen den Syrien-Rückkehrers ihre Plädoyers. Verstörend sind vor allem seine Aussagen zu Enthauptungen von Journalisten. Kreshnik B. fordert für sich selbst eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Er hat sich eine Wollmütze aufgesetzt und einen Schal um den Hals gelegt. Eine Hand hält Kreshnik B. lässig in der Hosentasche, mit der anderen fährt er sich immer wieder langsam durch den inzwischen dichten Vollbart. Warm mag er sich angezogen haben für die Plädoyers in diesem ersten deutschen IS-Prozess am Frankfurter Oberlandesgericht. Aber Anspannung ist dem 20-jährigen Frankfurter wenige Minuten vor diesem wichtigen Verhandlungstag nicht anzusehen. Beim Plausch mit seinem Anwalt lächelt er wie so häufig in den vergangenen Wochen. So, als gehe es gleich nicht um sein Leben, um seine Zukunft.

„Das kommt auf deren Sünden an“

Die Strafe, zur der Kreshnik B. verurteilt wird, war im Vorfeld bereits abgesteckt. Für ein Geständnis und die Bereitschaft, im Prozess für Fragen des Gerichts zur Verfügung zu stehen, bekam der Angeklagte die Aussicht auf eine Haftstrafe von höchstens vier Jahren und vier Monaten – obwohl die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung selbst nach Jugendstrafrecht mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden kann.

Es gibt keine Zweifel mehr: Kreshnik B. hat sich im Juli 2013 in Syrien der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen, einen Eid auf deren Führung geleistet und er war für die Dschihadisten bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland im vergangenen Dezember im Einsatz. Unklar war jedoch bis zuletzt, ob die Bundesanwaltschaft die getroffene Verständigung platzen lassen würde. Denn die Aussagen von Kreshnik B. hatten es in sich: „Ich möchte noch immer als Märtyrer sterben“, gestand er offen. Auf die Frage des Gerichts, wie er zu den Enthauptungen von Journalisten durch den IS stehe, antwortete er ganz ungeniert: „Das kommt auf deren Sünden an.“

Bundesanwaltschaft kann keine Reue erkennen

Dieter Killmer, der Vertreter der Bundesanwaltschaft, wiederholt die verstörenden Worte des Angeklagten in seinem Plädoyer noch einmal. Noch immer sei er darüber fassungslos. „Körperlich ist der Angeklagte aus Syrien zurück. Seine Wertvorstellungen sind aber noch nicht wieder in Deutschland angekommen“, verliest Killmer gleichwohl mit ruhiger Stimme. „An echter Reue habe ich Zweifel.“ Diese könne aber niemand erzwingen.

Was genau Kreshnik B. in seiner Zeit in Syrien getan hat, könne man mit den Mitteln deutscher Strafverfolgung nicht gänzlich beweisen, betont Killmer vielsagend. Auch wie es bei dem 20-jährigen Berufsfachschüler überhaupt zu einer derart schnellen Radikalisierung kommen konnte, darüber habe der Prozess leider wenig Aufschluss gegeben. Kreshnik B. habe letztlich aber mit seinen Aussagen unterstrichen, dass er trotz der ihm zufolge freiwilligen Rückkehr nach Deutschland noch immer an seinen religiösen Fehlvorstellungen festhalte. „Die Verführbarkeit des Angeklagten lässt mich besorgt zurück“, sagt Killmer.

Die Frage sei nun, welcher Aufwand und wie viel Zeit dafür nötig ist, eine erzieherische Wirkung bei Kreshnik B. zu erreichen. Killmer selbst gibt die Antwort darauf und fordert das Gericht auf, mit viereinviertel Jahren den vereinbarten Strafrahmen voll auszuschöpfen.

Töten in Syrien nicht wie auf der Playstation

Die geschliffenen Worte der Bundesanwaltschaft kontert Strafverteidiger Mutlu Günal in freier Rede, so stark vom rheinländischen Dialekt gefärbt, dass alles plötzlich flapsig und nicht mehr so ernst klingt. Die Spekulationen der Bundesanwaltschaft über Straftaten seines Mandanten seien Stimmungsmache und unanständig. „Kreshnik ist nicht nach Syrien gegangen, weil er es toll findet, dass da Leute enthauptet werden“, behauptet Günal. Er habe das Leid seiner Glaubensbrüder gesehen: Vergewaltigungen, Massenmorde, Folter. Ein 18- oder 19-Jähriger denke dann, er müsse dorthin. Dass er diesen Schritt heute nicht bereue, sei falsch. Durch seine Rückkehr, habe Kreshnik B. Reue gezeigt. „Er hat gemerkt, dass Syrien nicht wie X-Box oder Playstation ist, sondern mit echten Toten. Als die Muslime sich auf einmal gegenseitig bekämpft haben, sind ihm Zweifel gekommen“, erklärt Günal.

Kreshnik verzichtet auf sein letztes Wort

Um die verstörende Aussage zum Köpfen zu relativieren, hat sich Günal die Studie eines deutschen Jura-Professors herausgesucht. Demnach befürworte im ersten und zweiten Semester der Universitäten Konstanz und Erlangen jeder dritte Jura-Student die Todesstrafe. „Man könnte sagen, Kreshnik ist damit in bester Gesellschaft“, folgert Günal daraus. Für seine Gesinnung sei er nicht zu verurteilen. „Wir haben nichts davon, wenn wir Kreshnik mehr als vier Jahre ins Gefängnis stecken“, schließt Günal und plädiert auf drei Jahre und drei Monate Haft. Auf sein letztes Wort verzichtet Kreshnik B. Am kommenden Freitag fällt das Urteil.

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