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Flasbarth sieht Klimaschutz als Chance für die Wirtschaft.

© ddp

UBA-Präsident: "Deutschland profitiert vom Klimaschutz"

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, rät der Regierung, sich in der EU für ein ambitionierteres Ziel bis 2020 einzusetzen.

Berlin - Würde die Ökonomie bei den internationalen Klimaverhandlungen eine Hauptrolle spielen, wäre es nicht allzu schwer, sich zu einigen. Das geht aus einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Im Auftrag des UBA haben Joachim Schleich und Vicki Duscha vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe sowie Everett B. Peterson von der Virginia Tech die wirtschaftlichen Auswirkungen der Klimazusagen in der Kopenhagen-Erklärung untersucht. Das Ergebnis: Für Industriestaaten lohnen sich ambitionierte Klimaziele wirtschaftlich immer. Investitionen in den Klimaschutz bremsen das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gar nicht oder nur marginal, je nach Grad der Ambition. Schwellenländer wie China oder Indien dagegen nehmen mit ihren Klimazusagen durchaus in Kauf, dass ihr BIP langsamer wächst. Doch das muss keinen Verlust an Wohlfahrt bedeuten, weil ihnen das Klimaengagement niedrigere Preise für fossile Energien wie Öl oder Gas einbringt und zudem neue Märkte beim Verkauf von Emissionszertifikaten öffnet.

„Vor allem Deutschland kann von ambitionierten Klimazielen profitieren“, sagte der Präsident des UBA, Jochen Flasbarth, dem Tagesspiegel. Schon in einer früheren Studie hat das UBA ermittelt, welche Wirkungen das mittelfristige deutsche Klimaziel bis 2020 auf die Wirtschaft hat. Bis dahin will Deutschland seinen Treibhausgasausstoß um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken, unabhängig davon, was andere Staaten machen. Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass diese Strategie bis 2020 rund 630 000 neue Jobs und ein um 80 Milliarden Euro höheres BIP erbringen kann. Aber nicht nur deshalb „muss Deutschland ein starkes Interesse daran haben, dass die Europäische Union ihr Klimaziel auch anhebt“, meint Flasbarth. Bisher lautet das Angebot der EU: Minderung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990. Wenn andere Industriestaaten Vergleichbares leisten, soll das Minderungsziel auf 30 Prozent erhöht werden. Schon während des Scheiterns des Weltklimagipfels in Kopenhagen, erst recht aber danach haben die Bundesregierung, aber auch Unmweltverbände die EU aufgefordert, ihr Klimaziel unabhängig von den Leistungen anderer auf minus 30 Prozent anzuheben.

Gute Gründe dafür gäbe es. Nach einer Studie der EU-Kommission kostet die Erreichung des 20-Prozent-Ziels deutlich weniger, als angenommen worden war, weil die Weltwirtschaftskrise die Emissionen gedämpft hat. Der BIP-Verlust für die EU, wenn sie einseitig ihr Klimaziel erhöhen würde, betrüge nach UBA-Berechnungen nur 0,005 Prozent. Bliebe die EU hingegen bei ihrem wenig ambitionierten Ziel, hätte das Folgen für die Erreichung des deutschen Klimaziels. Nach der EU-Lastenteilung bedeuten minus 20 Prozent in der Staatengemeinschaft der 27 Europäer minus 30 Prozent für Deutschland. Minus 30 Prozent würden in etwa minus 40 Prozent für Deutschland entsprechen. Den Unterschied von zehn Prozentpunkten, der zwischen diesen beiden Szenarien liegt, könnte Deutschland nicht über den Emissionshandel erfüllen, wenn die EU bei ihrem niedrigen 20-Prozent- Ziel bleibt. „Sonst würden die in Deutschland eingesparten Emissionen irgendwo anders in der EU zusätzlich ausgestoßen“, sagt Flasbarth. Die Gesamtmenge des erlaubten Kohlendioxid-Ausstoßes wird zentral für die gesamte EU festgelegt. Wenn die Emissionen deutscher Unternehmer sänken, könnten sie dafür Kohlendioxid-Zertifikate an andere europäische Firmen verkaufen. An der Klimabilanz würde sich dadurch nichts ändern.

Die fehlenden zehn Prozentpunkte müssten also über höhere Investitionen in die Gebäudesanierung oder beim Verkehr erwirtschaftet werden. Angesichts der Tatsache, dass in den Haushalten von 2011 an die Förderprogramme für die energetische Altbausanierung gerade drastisch zusammengestrichen worden sind, dürfte das schwierig werden, „weil das Ordnungsrecht bei der Gebäudesanierung schnell an Grenzen stößt“, meint Flasbarth. Und beim Verkehr weiß er aus Erfahrung, dass „diese Maßnahmen besonders unpopulär sind“. Denkbar wären höhere Ökosteuern auf Treibstoff oder Tempolimits. Flasbarth rät dem Umweltminister und der Kanzlerin deshalb, sich auf EU-Ebene mit mehr Vehemenz für eine Anhebung des Klimaziels einzusetzen.

Flasbarth rät der EU auch noch aus einem anderen Grund zu einer Rückkehr zur ambitionierten Klimapolitik. In Kopenhagen habe die EU auch deshalb in der entscheidenden Phase des Gipfels keine Rolle mehr gespielt, weil ihr konditioniertes Angebot für 2020 sie in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt habe. „Die EU-Analyse, dass sich ein ambitionierter Klimaschutz wirtschaftlich lohnt, weil er zur Modernisierung der Ökonomie beiträgt und neue Geschäftsfelder für die Zukunft erschließt, ist richtig. Und damit gibt es auch keinen Grund für die Bindung des Ziels an das Verhalten der anderen.“ Und nur dann, argumentiert Flasbarth, sei es auch ein ehrliches Angebot an die Schwellenländer, das zur Nachahmung anregen könnte. Mit der Kopplung an das Verhalten anderer Industriestaaten jedoch sei die Aussage eher die gewesen, dass Klimaschutz teuer, aber moralisch geboten sei. Kein Angebot, das zögerliche Schwellenländer zu mehr Engagement ermutigen könnte, findet Flasbarth.

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