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Ausrüstung eines Kamerateams nach einem Übergriff in Berlin am 1. Mai 2020

© dpa/Christoph Soeder

Angriffe auf Medienschaffende nehmen zu: Deutschland rutscht bei der Pressefreiheit weiter ab

Reporter ohne Grenzen stuft Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit weiter ab. Viele gewaltsame Angriffe gegen Journalisten sind der Hauptgrund.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat Deutschland in der weltweiten „Rangliste der Pressefreiheit“ erneut herabgestuft. Die Bundesrepublik rangiert nun drei Plätze tiefer auf Rang 16 - hinter Ländern wie Litauen, Jamaika und den Seychellen. Die Rangliste wird an diesem Dienstag in Berlin veröffentlicht.

RSF begründete das Abrutschen Deutschlands mit gleich mehreren Negativ-Faktoren. „Für diese Entwicklung sind drei Gründe zentral: eine Gesetzgebung, die Journalistinnen und Journalisten sowie ihre Quellen gefährdet, abnehmende Medienvielfalt sowie allen voran Gewalt bei Demonstrationen.“ Die Zahl der gewaltsamen Angriffe habe mit 80 verifizierten Fällen so hoch wie noch nie seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2013 gelegen. Bereits im Vorjahr sei mit 65 Fällen ein Negativrekord erreicht worden, so die Organisation.

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„Die meisten der Angriffe (52 von 80) ereigneten sich bei Protesten des „Querdenken“-Spektrums gegen Corona-Maßnahmen, an denen regelmäßig gewaltbereite Neonazis und extrem rechte Gruppen teilnahmen. Medienschaffende wurden bespuckt, getreten, bewusstlos geschlagen. Betroffene klagten häufig über mangelnde Unterstützung durch die Polizei. Zudem wurden 12 Angriffe der Polizei auf die Presse dokumentiert.“ Hinzu komme eine hohe Dunkelziffer. Neu waren der Analyse zufolge 2021 akustische Angriffe mit Fußballfanfaren.

Deutschland war im vergangenen Jahr erstmals aus der Spitzengruppe geflogen. Seitdem gilt die Lage der Pressefreiheit in unserem Land nicht mehr als „gut“, sondern nur noch als „zufriedenstellend“. Nach vergleichbarer Methodik gibt es die Aufstellung seit dem Jahr 2013.

Zu den Schlusslichtern unter den 180 Ländern im Vergleich gehört China auf Platz 175, „unter anderem aufgrund nahezu allumfassender Internetzensur und Überwachung sowie Propaganda im In- und Ausland“. In Myanmar (176) und Iran(178) sieht es ähnlich finster aus.

Drei totalitäre Regime stehen ganz unten, so RSF: Turkmenistan (177), Eritrea (179) und Nordkorea (180): „Alle drei haben gemeinsam, dass die jeweilige Regierung die komplette Kontrolle über alle Informationsflüsse hält; Raum für Verbesserungen der Pressefreiheit scheint es unter den aktuellen Regimen nicht zu geben.“ Ganz oben in dem Ranking liegen Norwegen (1), Dänemark (2) und Schweden (3).

Baerbock würdigt lebensgefährlichen Einsatz in der Ukraine

Zum Tag der Pressefreiheit hat Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf den Einsatz von Journalisten in der Ukraine verwiesen. „Ihre Arbeit ringt uns nicht nur großen Respekt ab, sie ist unersetzlich und zugleich lebensgefährlich“, erklärte die Ministerin. Mindestens zehn Medienschaffende seien in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs getötet worden.

„Medienschaffende leisten in diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wie auch in zahlreichen anderen Konflikten oft als erste Zeugen den entscheidenden Beitrag zur Dokumentation von bewaffneten Kämpfen“, sagte Baerbock. „Sie sind das Sprachrohr der Opfer, die sonst kein Gehör finden und nicht sichtbar wären, sie belegen Menschenrechtsverletzungen aber auch Kriegsverbrechen.“ Das habe sich unter anderem in Mariupol und Butscha gezeigt.

Die Arbeit der Journalisten sei umso wichtiger, da Moskau seinen Angriffskrieg mit gezielten Desinformationskampagnen begleitet. „Dagegen setzen wir uns für unabhängige und faktenbasierte Berichterstattung sowie für freie digitale Medien ein - sie bringen die Wahrheit ans Licht.“

Weltweit schwinde die Presse- und Informationsfreiheit online wie offline. Regierungen versuchten, Presse- und Informationsfreiheit einzuschränken, Debatten zu unterbinden, Fehlinformationen zu verbreiten, Journalistinnen und Journalisten einzuschüchtern oder gar verschwinden zu lassen.

Baerbock bekräftigte: „Freie, demokratische Gesellschaften kann es ohne freie und vielfältige Presse nicht geben“. Diese sei „nicht nur das Herzstück einer jeden Demokratie, sondern bildet auch wenn nötig ein lautstarkes Bollwerk zur Wahrung der Menschenrechte“. (dpa, AFP)

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